„Einfach aber revolutionär“, nennt Swissinfo die Ideen zu einem Hubspeicherkraftwerk. Dabei ist das Prinzip altbekannt, Energie durch Anheben von Gewichten zu speichern und durch Absenken zurückzugewinnen. Ein historisches Beispiel sind Hebelarmkatapulte, deren Existenz seit der Antike überliefert ist.
Heute arbeiten Forscher und Unternehmer in verschiedenen Start-ups daran, dieses Prinzip für friedliche Zwecke nutzbar zu machen. Wie bei den Katapulten wird ein Gewicht – in diesem Fall mit überschüssigem Strom aus Solar- und Windkraftwerken – angehoben. Bei Bedarf treibt das absinkende Gewicht dann – per Seilzug oder Turbine – Generatoren an, die wiederum die kinetische in elektrische Energie umwandeln.
Und gerade diese Einfachheit hat durchaus etwas Revolutionäres – denn Stand heute gibt es nur zwei Arten von Energiegroßspeichern: Batterien und Pumpspeicherkraftwerke. Und beide Technologien haben ihre Vorteile, aber auch ihre spezifischen Probleme.
Die Entwickler von Hubspeicherkraftwerken werben damit, dass sie diese Probleme überwinden und die Vorteile vereinen: Eine Rohstoffproblematik wie bei Li-Ion-Akkus gibt es nicht, denn Hubspeicherkraftwerke bestehen hauptsächlich aus Stahl sowie Beton, Bauschutt oder Felsgestein. Beschaffung und Recycling wären also einfach. Allerdings ist letzteres ohnehin erst einmal kein Thema, denn einmal errichtet können Hubspeicher ohne den Abnutzungseffekt von Li-Ion-Batterien über Jahrzehnte auf- und entladen werden, bevor einzelne Bauteile immer wieder ausgetauscht werden müssen.
Zudem ist der Flächenbedarf bei vergleichbarer Leistung tendenziell kleiner – vor allem als der von Stauseen. Die Größe einiger Hubspeicher-Technologien ist nahezu beliebig skalierbar, sie kann also an die örtlichen Gegebenheiten und den Bedarf angepasst werden. Die Grenzen liegen vor allem in der Wirtschaftlichkeit.
So ähnlich das Prinzip, so unterschiedlich sind die Anwendungsbereiche der Technologien. Das Schweizer-US-amerikanische Unternehmen Energy Vault will 35 Tonnen schwere Betonquader um einen sechsarmigen Kran herum stapeln, um Energie zu speichern. Beim Entladen dienen die elektrischen Seilwinden dann als Generatoren und speisen den gewonnenen Strom zurück ins Netz.
Ebenfalls über Seilwinden will das britische Unternehmen Gravitricity aus Edinburgh Strom in der sogenannten Lageenergie speichern. Dafür wollen die Entwickler Betongewichte von etwa 3.000 Tonnen in Bergwerksschächte hängen. Zum Laden werden diese heraufgezogen und zum Entladen hinablassen. Beide Konzepte könnten in Sekundenbruchteilen Strom liefern und deshalb auch als Primärregelenergie in der Netzstabilisierung eingesetzt werden. Damit würden sie mit Batteriespeicherkraftwerken konkurrieren.
Der Betonturm von Energy Vault soll bis zu 80 Megawattstunden (MWh) speichern können und bis zu acht Megawatt Leistung bereitstellen können. Die Bergwerkspeicher sollen maximal 25 MWh speichern können, diese aber mit bis zu zehn Megawatt abgeben können. Damit könnte man 6.000 Einwohner etwa einen Tag lang mit Strom versorgen.
Eine ganze Dimension größer denkt man bei Gravity Energy und bei Heindl Energy. Dort reden die Entwickler von Speicherkapazitäten im ein- bis zweistelligen Gigawattbereich, man will also Pumpspeicherkraftwerken sozusagen das Wasser abgraben. Und zwar auch mit Wasserkraft.
In beiden Fällen liegt nämlich ein riesiger, mehrere Millionen Tonnen schweren Beton- oder Felskolben auf einem Wasserbett in einem Zylinder. Soll nun Energie gespeichert werden, treibt der Strom aus dem Netz Pumpen an, die den Kolben mit Wasserdruck hochpressen. Bei Bedarf lässt man das Wasser zurückströmen, und die Pumpen werden zu Turbinen, die Generatoren antreiben.
Am weitesten ist Energy Vault. Ihr erster Speicherturm in der Nähe von Lugano ist fast fertig und soll noch 2020 ans Schweizer Netz angeschlossen werden. Alle anderen Konzepte existieren nach Unternehmensangaben bisher nur auf dem Papier. Gravitricity will im Herbst 2020 eine kleine Demonstrationsanlage bauen. Die Gravity Energy AG hofft Anfang 2021 damit loszulegen. Ein Ort dafür in Edinburgh ist bereits gefunden, Investoren werden noch gesucht.
Kurzfristig sind all diese Technologien teuer im Vergleich zu Batterien, die mittlerweile in Massenproduktion sehr preiswert hergestellt werden. Doch Speicherbedarf ist keine Momentaufnahme, sondern Teil eines Megatrends. Und wenn die Li-Ion-Akkus von heute längst verschrottet sind, argumentieren die Verantwortlichen, heben und senken sich in ihren Anlagen immer noch dieselben Gewichte.
Wind- und Solarkraftwerke gehören heute zu den preiswertesten Stromerzeugern überhaupt. Bisher sind konventionelle Kraftwerke aber nötig, um den Strombedarf zu decken, falls Wind und Sonne Pause machen. Umgehen lässt sich das eigentlich nur mit Energiespeichern, die zeitweise überschüssigen Strom speichern, um ihn bei Bedarf wieder abzugeben. Je größer der Anteil volatiler Energiequellen wie Wind und Sonne am Strommix ist, umso größer muss für eine konstante Energieversorgung die Speicherkapazität sein.
Bildnachweis: © Energy Vault
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