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Ammoniak versorgt Handymasten mit Strom
Zwei Duisburger forschen an sinnvoller Ergänzung zur Wasserstoffwirtschaft

Wasserstoff ist einer der Hoffnungsträger in der Energiewende. Erst kürzlich kündigte die Bundesregierung an, neun Milliarden Euro im Rahmen einer neuformulierten „Nationalen Wasserstoffstrategie“ zu investieren. Damit soll die Infrastruktur für Wasserstoff aus regenerativ erzeugtem Strom ausgebaut werden. Forscher der Universität Duisburg-Essen (UDE) und des Zentrums für BrennstoffzellenTechnik (ZBT) setzen indes auf einen anderen Träger in ihrem Power-to-X-Konzept: die Chemikalie Ammoniak.

Ammoniak ist einer der häufigsten Grundstoffe der chemischen Industrie. Mehr als 125 Millionen Tonnen werden jährlich hergestellt, der größte Teil wird zu Düngemitteln weiterverarbeitet. Bei der Herstellung werden große Mengen fossiler Energieträger benötigt und jährlich Millionen Tonnen CO2 freigesetzt.

Dass das auch anders geht, wollen Florian Nigbur, Energietechnik-Experte der UDE, und Michael Steffen, Abteilungsleiter für Energieträger und Prozesse am ZBT in Duisburg, aufzeigen. Sie entwickeln eine Technologie, die nicht nur Handymasten über Ammoniak mit Strom versorgen kann und dabei klimaneutral ist.

Bei der Herstellung von Ammoniak werden weltweit Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Warum soll gerade dieser Stoff die Energiewende voranbringen?

Florian Nigbur

Tatsächlich ist es so, dass die Ammoniakproduktion heute fast ausschließlich auf fossilen Energieträgern basiert. Dabei kommen überwiegend Erdgas, aber auch Kohle und Öl zum Einsatz. Doch Ammoniak lässt sich auch nachhaltig herstellen, wir reden dann von „grünen“ Ammoniak.

Wie funktioniert das?

Florian Nigbur

So ähnlich wie die Produktion von grünem Wasserstoff: Mithilfe der Elektrolyse, für die wir Strom aus Erneuerbaren Energien einsetzen. Parallel dazu brauchen wir eine Luftzerlegungsanlage, die Stickstoff aus der Luft abtrennt. Unter Druck können wir dann den Wasserstoff aus der Elektrolyse und den Stickstoff aus der Luft in einem Reaktor zu Ammoniak verbinden.

Alle reden gerade von grünem Wasserstoff, in die Forschung fließen Millionen. Warum forschen Sie an Ammoniak und nicht an Wasserstoff?

Michael Steffen

Wasserstoff ist ein entscheidender Baustein für die Energiewende, hat aber nicht in allen Bereichen die Chance, sich durchzusetzen. Gerade bei Anwendungen, die bei großen Speichermengen hohe Energiedichten benötigen, kommt er an seine Grenzen.

Florian Nigbur

Ich würde das gerne anhand einiger Zahlen verdeutlichen: Auf 1000 bar komprimierter Wasserstoff kann etwa 1,7 kWh pro Liter speichern. In flüssiger Form sind es 2,4 kWh, allerdings ist der Energieaufwand für die Verflüssigung extrem hoch. Ammoniak hingegen ist schon bei sehr niedrigem Druck ab etwa 8 bar flüssig und weist mit 3,3 kWh eine höhere Energiedichte als Wasserstoff auf. Er kann also, vereinfacht gesagt, deutlich mehr Energie speichern.

Michael Steffen

Dazu kommt, dass die eingesetzte Technik weltweit bekannt und wenig kompliziert ist. Während Wasserstoff in kleinen Druckgastanks transportiert und gelagert werden muss, kann Ammoniak in Großtanks aus dem Flüssiggasbereich mit Volumina bis zu mehreren 10.000 Tonnen befördert werden. Das bringt Vorteile in der Logistik, in der Speicherung und am Ende natürlich in den Kosten.

Das sind Vorteile, die Sie nutzen wollen, um Mobilfunkmasten mit Strom zu versorgen. Wie kommt man auf so eine Idee?

Michael Steffen

Die Idee stammt ursprünglich aus einem EU-Projekt. Dabei ging es um die Frage, wie Mobilfunkmasten in abgelegeneren Regionen, in denen es kein ausreichend ausgebautes Stromnetz gibt, mit Energie versorgt werden können. Bisher werden dafür meist Dieselgeneratoren eingesetzt, was nicht besonders umweltfreundlich ist. Mit Ammoniak könnte regenerativ produzierter Strom einfach gespeichert, transportiert und vor Ort ohne CO2-Emissionen zur Stromerzeugung genutzt werden. Diese Technologie ist gut zu handhaben.

Wie genau funktioniert das, also wie bezieht der Mast Strom?

Florian Nigbur

Neben dem Mobilfunkmast befindet sich unser Modul, das im Wesentlichen aus einem Ammoniaktank, einem sogenannten Cracker und einer Brennstoffzelle besteht. Im Cracker wird das Ammoniak in ein Gasgemisch zerlegt, das aus 75 Prozent Wasserstoff und 25 Prozent Stickstoff besteht. Damit wird die Brennstoffzelle versorgt, die Wasserstoff mit Luftsauerstoff zu Wasser umwandelt. Dabei entsteht Strom, mit dem wir den Mobilfunkmast betreiben können.

Das Herzstück Ihrer Forschung ist der Ammoniakcracker. Was passiert dort genau?

Michael Steffen

In unserem Cracker wird das Ammoniak über einem Katalysator bei etwa 700 bis 800 Grad in ein Gasgemisch mit hohem Wasserstoffanteil aufgespalten. Dazu wird Wärme benötigt. Der Ammoniakcracker enthält einen Brenner, der diese Wärme bereitstellt. Als Brennstoff wird hierfür das Abgas der Brennstoffzelle verwendet. Dieses besteht aus Wasserstoff, Stickstoff und etwas Wasser und ist noch gut brennbar. Diese Verschaltung sowie ein ausgeklügeltes Wärmemanagement ermöglichen uns die Entwicklung eines hocheffizienten Systems. Der Ammoniakcracker erreicht bereits jetzt einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent.

Statt die Energie direkt in Form von Wasserstoff zu speichern, gehen Sie einen Umweg über den Ammoniak. Sind die Vorteile davon so groß, dass sich dieser zusätzliche Schritt lohnt?

Michael Steffen

Der Cracker ist zwar ein zusätzliches Bauteil , wir gehen aber davon aus, dass Ammoniak wegen der hohen Energiedichte und einfacheren Speichertechnik in einigen Anwendungen die günstigere Variante ist. Denn so können Transportwege gespart werden. Gerade über längere Distanzen macht es einen Unterschied, ob für die gleiche Energiemenge ein Schiff oder LKW mit Ammoniaktanks oder zwei mit Wasserstoffbehältern fahren.

Um eine genaue Aussage treffen zu können, muss die gesamte Energiekette betrachtet werden. Lange Transportwege und Speicherdauern sowie der Bedarf einer hohen Energiedichte verstärken tendenziell die Vorteile von Ammoniak. Es geht uns nicht darum, Wasserstoff generell zu ersetzen, sondern wir sehen Ammoniak als Wasserstoffträger an, der für bestimmte Bereiche eine gute Ergänzung einer Wasserstoffwirtschaft sein kann.

Und wie sieht es mit Umwandlungsverlusten aus?

Michael Steffen

Im Moment gehen wir davon aus, dass wir bei der Stromerzeugung aus Ammoniak je nach Brennstoffzelle bei den Verlusten etwa bei 50 Prozent liegen. Mit reinem Wasserstoff sind die Verluste etwas geringer, da ein höherer Wirkungsgrad von rund 55 Prozent erreicht werden kann. Somit ist der Unterschied zwischen Ammoniak und Wasserstoff nicht signifikant und grundsätzlich sind die Umwandlungsverluste auch nur ein Kriterium. Die benötigten Technologien, Rohstoffe und Kosten müssen auch immer mitbetrachtet werden.

Lässt sich die Technologie noch in anderen Bereichen einsetzen?

Michael Steffen

Wir haben bisher den ersten Prototypen eines Ammoniakcrackers entwickelt und getestet. Jetzt arbeiten wir an den Details. Am Projektende wollen wir ein optimiertes Crackersystem vorstellen, bei dem alle Bestandteile ideal aufeinander abgestimmt sind.

Florian Nigbur

Dann hätten wir einen emissionsfreien Energieträger und eine Technologie, mit der im Prinzip an jeder Stelle stationäre Einrichtungen mit Strom versorgt werden könnten.

Michael Steffen

Wenn man das weiterdenkt, gibt es natürlich weitere Anwendungsgebiete. In der EU gab es bereits Überlegungen, nachhaltigen Strom aus Afrika zu importieren. Doch bisher fehlt das richtige Speichermedium. Mit Ammoniak könnten große Energiemengen transportiert werden. Eine Anwendung in der Mobilität ist ebenfalls denkbar. Wir bereiten gerade einige Projekte vor, bei denen es um den Antrieb von Schiffen mit Ammoniak geht. Perspektivisch muss dann auch der Flugverkehr dekarbonisiert werden, wofür es bereits erste Ansätze mit Ammoniak gibt.

Bildnachweis: ZBT

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