Es ist ein häufig diskutiertes Problem in der Energiepolitik, fast schon ein Evergreen: Der Ausbau der Stromnetze kommt bisher einfach nicht voran. Von den erforderlichen 7.700 Kilometern Stromtrassen sind derzeit 1.750 genehmigt und nur 950 realisiert worden. Dabei werden sie dringend benötigt, um Strom aus dem windreichen Norden in die Industriezentren im Süden und Westen des Landes zu transportieren. Da in den kommenden Jahren die verbleibenden Atomkraftwerke vom Netz gehen und der Anteil erneuerbarer Energien am Stromnetz weiter steigen wird, gehören die Verzögerungen beim Bau zu den größten Herausforderungen der Energiewende.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat nun einen Gesetzesentwurf vorgelegt. „Ziel des Gesetzes ist eine weitere Beschleunigung des Ausbaus und der Optimierung der Stromnetze“, heißt es in dem 56-seitigen Referentenentwurf.
Eine Maßnahme ist laut Medienberichten, dass künftig Stromleitungen schneller geplant werden können, wenn eine bestehende Leitung erweitern werden soll oder diese entlang einer bestehenden Trasse verlaufen. Laut Entwurf wäre dann keine sogenannte Bundesfachplanung mehr nötig, wodurch aufwändige Anträge entfallen würden. Eine weitere Maßnahme betrifft geplante Leitungen entlang von Straßen oder Bahnlinien. Auch in diesem Fall soll die Bundesfachplanung entfallen. Umweltauswirkungen ließen sich so im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens untersuchen, lange Verfahren zur Bestimmung der Trassenkorridore könnten entfallen. Viele Planungen würden schneller vonstatten gehen.
Der Entwurf sieht außerdem vor, bei den großen Stromautobahnen leere Rohre als Reserve ins Erdreich zu legen. Wenn die bisher geplanten Leitungen nicht ausreichen, könnte so der Ausbau schnell und einfach erfolgen. Für die Leitung Süd-Ost-Link, die Strom aus dem Raum Magdeburg nach Landshut bringen soll, will die Bundesregierung die Leerrohre sogar gesetzlich festschreiben. Alle großen Stromautobahnen, die im Netzentwicklungsplan festgelegt sind, kommen für solche Rohre in Betracht.
Neben den Erleichterungen im Planungsrecht sieht der Entwurf auch schärfere Sanktionen vor. Wenn sich beispielsweise Eigentümer gegen „notwendige Vorarbeiten“ auf ihrem Grundstück wehren, wird das künftig als Ordnungswidrigkeit eingestuft. Und den Netzbetreibern droht ein Zwangsgeld von bis zu zehn Millionen Euro, wenn sie die nötigen Anträge verschleppen.
Im Dezember soll der Entwurf das Kabinett passieren, danach Bundestag und Bundesrat. Eile ist tatsächlich geboten. Schon in zwölf Jahren, 2030, soll den Plänen der Bundesregierung zufolge 65 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, Tausende Kilometer Stromtrassen müssen bis dahin gebaut werden.
Die Pläne der Bundesregierung sind Anlass für den en:former, das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. In den kommenden Wochen beleuchtet die Serie Netzausbau in mehreren Teilen technische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen sowie Initiativen und Innovationen, um diese zu bewältigen. Der erste Teil analysiert den aktuellen Stand in Deutschland.
Bildnachweis: noolwlee, shutterstock.com