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Japan setzt bei Energiewende auf Offshore-Wind
Für den Inselstaat geht es nicht nur um Treibhausgasemissionen, sondern auch um energetische Autarkie

Die drittgrößte Volkswirtschaft der Erde deckt ihren Brennstoffbedarf nahezu ausschließlich durch Importe. Im Jahr 2018 waren es 99,7 Prozent des verbrauchten Erdöls, 97,5 Prozent des Erdgases und 99,3 Prozent der Kohle. Gleichzeitig ist Japan der viertgrößte Erdöl-Konsument der Welt, kein Land verbraucht mehr Flüssiggas (LGN).

Die eigene Rohstoffarmut hat den Inselstaat schon früh zum Bau von Kernkraftwerken gebracht, um die Abhängigkeit von Energieimporten zu mindern. 1966 ging der erste Reaktor ans Netz. Der Ölpreisschock 1973 brachte Japan dann endgültig dazu, auf Kernkraft zu setzen. Die maximale Produktion von 326 Gigawattstunden (GWh) erreichte das Land 1998.

Kontroverse um Kernkraft

Aber Japan liegt am Schnittpunkt von vier tektonischen Platten mit hoher vulkanischer und seismischer Aktivität. Das Tōhoku-Erdbeben 2011, das einen Tsunami und dadurch den Reaktorunfall von Fukushima auslöste, war das jüngste einer langen Reihe tektonischer Beben in der Region – und eines der schwersten jemals aufgezeichneten weltweit.

Die Folgen waren bekanntermaßen katastrophal. Für die Kernenergie bedeutete es das weitgehende Ende. Lieferte sie im Jahr 2010 noch 30 Prozent des japanischen Stroms, schaltete das Land bis Mitte 2012 sämtliche Kernkraftwerke ab. Seither liefern nur noch vereinzelte Kernkraftwerke einen minimalen Beitrag zur Energieversorgung Japans. 2019 lag die Leistung der aktiven Reaktoren bei 8,7 Gigawatt, sie lieferten etwas mehr als sechs Prozent des Strombedarfs.

Die öffentliche Diskussion ist um die Kernkraft ist nie abgebrochen. Befürworter argumentieren mit der Importabhängigkeit des Landes, und der fehlenden Möglichkeit der Insel Strom zu importieren. Die Gegner führen die Gefahr für Mensch und Umwelt an. Erhöhte Sicherheitsmaßnahmen, auch gegen Terrorattacken sowie lokale Proteste erschweren den Neustart der japanischen Kernkraft.

Die Suche nach Alternativen

Um den Strombedarf zu decken, hatte Japan kaum eine andere Wahl, als verstärkt auf fossile Stromerzeugung zurückzugreifen. Zumal das Wasserkraftpotenzial des Landes als weitgehend erschlossen gilt. Heute liegt der Anteil der Erneuerbaren bei rund 15 Prozent. Bis 2030 sollen es 22 bis 24 Prozent werden.

Stromerzeugung in Japan in den Jahren 2008 bis 2018 in Terawattstunden (TWh)

Quelle: BP Statistical Review of World Energy

Nicht nur deshalb erforscht Japan seit geraumer Zeit alternative, heimische Energiequellen: Geothermie, Gashydrat und seit Neuerem auch Wind- und Solarkraft. Nicht zuletzt hat die Regierung den Plan ausgegeben, die erste wasserstoffbasierte Gesellschaft der Erde zu werden. Ohne heimische Primärenergieträger muss aber auch das H2 importiert werden.

Signifikant gewachsen unter diesen Energiequellen ist seit Fukushima vor allem die Solarkraft: Dank 55,5 GW installierter Leistung im Jahr 2018 trug sie mit 6,8 Prozent mehr zum Strommix bei als die Kernkraft. Allerdings war dieser Zuwachs über eine Einspeisevergütung relativ teuer erkauft. Und Mitte der 2020er will die Regierung diese Förderung mehr als halbieren.

Gute Winde, tiefes Wasser

Stattdessen will Japan nun seine vielleicht größte heimische Energiequelle nutzen: die Windkraft. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) verfügt Japan entlang seiner fast 30.000 Kilometer langen Küste über eine technisch nutzbare Offshore-Windleistung, die das Neunfache seines Energiebedarfs von 2018 übersteigt.

Trotz des schon in Küstennähe steilabfallenden Meeresgrunds ist genug Platz, um Turbinen mit einer Gesamtleistung mehr rund 92 GW in den Boden zu zementieren. Der japanische Windkraftverband (JWPA) und das Mitsui Global Strategic Studies Institute kommen hier auf ähnliche Zahlen. Das allein könnte 20 bis 25 Prozent der japanischen Strombedarfs decken. Den Rest des riesigen Potenzials müsste mit schwimmenden Windkraftanlagen eingefangen werden.

Bisher wurden aber gerade einmal 0,066 GW (65,6 MW) Offshore-Windkraft installiert. Ein Haupthemmnis sind die langwierigen Prüfungen der Umweltverträglichkeit, die bis zu fünf Jahren dauern. Zudem haben die zuständigen Präfekturen eine Zeit lang die Betriebsgenehmigungen auf fünf Jahre begrenzt. Die Onshore-Windkraft ist zudem durch Restriktionen bei der Landnutzung gehemmt.

Der Flickenteppich aus Insel-Stromnetzen macht den Netzzugang für Erneuerbare auch nicht leichter. Zumal sich die Netzfrequenz in der Nordosthälfte des Archipels von der im Südwesten unterscheidet.

Neues Gesetz, neue Situation

Dennoch hat ein neues Gesetz im April 2019 die Attraktivität von Investitionen in Offshore-Windparks drastisch erhöht: Es erlaubt eine Betriebsdauer von 30 Jahren und weist elf Entwicklungsareale aus. Vier davon sind besonders weit fortgeschritten. Zwei davon liegen im Nordinsel der Hauptinsel Honshu, eins vor Choshi, etwa 100 Kilometer östlich von Tokio und eins vor der Insel Enoshima in der südöstlichen Präfektur Nagasaki.

Das Gesetz schafft außerdem einen Rechtsrahmen für die Nutzung der japanischen Küstengewässer; und es erschwert Gasstromerzeugern, erhöhte Produktionskosten an die Verbraucher weiterzugeben.

Ebenfalls eine Rolle gespielt auch die fortschreitende Deregulierung des Gasmarktes, welche die Erzeuger dazu zwingt erhöhte Preisrisiken zu tragen, statt diese Preiserhöhungen direkt an die Verbraucher weiterzugeben. Dies hat die Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt der erneuerbaren Energien angeglichen.

Die neuen Umstände haben scharenweise Investoren angelockt, darunter auch RWE Renewables. Im Oktober 2019 hat die weltweite Nummer zwei unter den Offshore-Windpark-Entwicklern ein Büro in Tokio eröffnet, das erste der RWE-Tochter in Asien.

Laut japanischem Energieministerium sind nun 13 GW Offshore-Windkraft-Kapazität in der Pipeline: Für 1,4 GW laufe die Umweltverträglichkeitsprüfung heißt es beim Branchenverband JWPA, dazu kämen 1,5 GW Onshore-Windkraft. Im Februar meldete der japanische Investor Marubeni, man habe in der Präfektur Akita mit dem Bau des ersten großen Windparks des Landes begonnen. Er soll eine Kapazität von 120 MW haben.

Noch in diesem Frühjahr könnten Ausschreibungen für die vier genannten Areale stattfinden. Durch kompetitive Auktionen sollen ähnlich wie in einigen europäischen und asiatischen Ländern, aber auch in Taiwan die öffentlichen Kosten des Windkraftausbaus niedrig halten.

Während die Regierung mit zehn Gigawatt Windkraft insgesamt im Jahr 2030 plant, glaubt Japan Windkraftindustrie, die Offshore-Sparte könnte das alleine schaffen. Mit Blick auf das enorme Gesamtpotenzial könnte die Offshore-Windkraft Japan nicht nur zum Erreichen seiner Klimaziele, sondern auch zu einem Rekordniveau der energetischen Selbstversorgung verhelfen.

Bildnachweis: © mapo_japan, shutterstock.com

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