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Energiespeicher am Meeresgrund
30 Meter dicke Betonkugeln: Das Prinzip von Pumpspeicherkraftwerken funktioniert auch unter Wasser

Wind- und Sonnenkraft sind zwei starke Säulen, auf denen die Energiewende errichtet wird: Die Wasserkraft ausgeklammert stammten 2019 laut BP Energy Report (auf Englisch) rund 75 Prozent des erneuerbaren Stroms aus diesen beiden Energiequellen – in Deutschland, Europa und weltweit. In einigen Ländern haben sie bereits stundenweise den gesamten Strombedarf gedeckt. In windstillen Nächten aber kommt bestenfalls noch etwas Strom von der Offshore-Windkraft. Dieses Problem bleibt, unabhängig von der Wind- und Solarkapazität.

Noch schließen konventionelle Kraftwerke diese Lücke. Doch je mehr die Energiewende voranschreitet und der Ausbau der regenerativen Energien vorangetrieben wird , desto häufiger muss erneuerbarer Strom zeitversetzt zur Produktion bereitstehen. Bisher sind Pumpspeicherkraftwerke die einzige Technologie, die dies in großem Umfang ermöglicht: Laut Energy Storage Monitor (auf Englisch) des World Energy Council stellen sie mehr als 95 Prozent der weltweiten Speicherkapazität bereit. Doch ihr Potenzial ist limitiert, denn die Kraftwerke benötigen gewisse topografische Voraussetzungen – und die besten Lagen werden bereits genutzt.

Diesen Mangel wollen Forscher des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) mit Pumpspeicherkraftwerken in Form von hohlen Betonkugeln auf dem Meeresgrund beheben: Produzieren Wind- und Sonnenenergie einen Überschuss an Strom, treiben sie eine Pumpe an der Oberseite der Kugel an, die das Wasser aus der Kugel abpumpt. Besteht dann Bedarf an zusätzlichem Strom, strömt Wasser zurück in die Kugel, die Pumpe wird zur Turbine und der Motor zum Generator.

Kugeln mit einem Durchmesser von 30 Meter

Rund fünf Megawatt (MW) Leistung soll ein solcher Speicher einspeisen können. Das entspräche einer durchschnittlichen Offshore-Windkraftanlage. Dafür müsste die Kugel nach Berechnungen der Forscher einen Durchmesser von rund 30 Metern haben und in einer Tiefe von 600 bis 800 Metern liegen. „Unter diesen Umständen“, sagt Matthias Puchta, Leiter des Projektes Stensea (Stored Energy in the Sea), „wären solche Pumpspeicherkraftwerke wirtschaftlich mit konventionellen Pumpspeichern vergleichbar.“

In diesen Tiefen  könnte eine Kugel rund 20 Megawattstunden (MWh) speichern, bei voller Leistung würde das also für vier Stunden reichen. Schon sieben solcher Kugeln würden demnach mehr Energie speichern können als der größte Batteriespeicher der Welt. Nach den Vorstellungen von Puchta und seinen Kollegen sollten 30, 50 oder noch mehr solcher Stensea-Kugeln in einem Speichersystem am Meeresgrund zusammengeschlossen werden: „Je mehr Speicher an einem Standort installiert werden, desto wirtschaftlicher wird tendenziell der Betrieb.“

Ladezyklen nahezu unbegrenzt

Die Skaleneffekte ergäben sich durch Synergien beim Netzanschluss, bei der Ortserkundung und der Produktion. Die Betonkugeln müssten in speziell hergerichteten Trockendocks nahe dem Verwendungsort gegossen werden, denn über längere Strecken können die mehrere Hundert Tonnen schweren Kolosse nicht transportiert werden. „Sie müssten wohl mit Schwimmern versehen und an den Bestimmungsort geschleppt werden“, erklärt Ingenieur Puchta. Das alles lohne sich nur bei einem entsprechenden Auftragsvolumen.

Eine zentrale Fertigung wie bei Batteriespeichern ist also ausgeschlossen. Aber auch sonst hinke der Vergleich, erklärt Puchta: „Die Investitionskosten sind mit 400-500 Euro pro Kilowattstunde ähnlich hoch wie bei netzgekoppelten Lithium-Ionen-Batteriesystemen. Dafür aber sind die Lade- und Entladezyklen der Stensea-Kugeln nahezu unbegrenzt.“ Lediglich die Turbinen samt Steuerungstechnik müssten wohl von Zeit zu Zeit gewartet und erneuert werden. Damit, so der Forscher, hätten sie eine sehr ähnliche Kostenstruktur wie Pumpspeicherkraftwerke an Land.

Erster Praxistest erfolgreich

Die Umwelteinflüsse schätzen die Forscher sogar geringer ein. Die Kugeln aus Stahl und Beton störten die Meereswelt kaum: „Im Test konnten wir das Einsaugen von Tieren durch eine geringe Strömungsgeschwindigkeit am Wassereintritt und durch ein sehr feinmaschiges Gitter verhindern. Für den konkreten Standort im Meer muss dann eine individuelle Bewertung der Umweltverträglichkeit erfolgen.“

Dass das Prinzip nicht nur in Computer-Simulationen funktioniert, haben die Forscher nämlich bereits gezeigt: Im Bodensee haben sie ein Modell im Maßstab 1:10 in 100 Metern Tiefe erfolgreich getestet. „Durch verschiedene Messungen haben wir Erkenntnisse darüber gewonnen, mit denen wir unsere Computermodelle für ein echtes Meerespumpspeicherkraftwerk verbessern konnten“, sagt Puchta. Zum Beispiel fanden die Forscher heraus, dass ein Druckausgleich beim Entleeren der Kugel durch einen Luftschlauch zur Wasseroberfläche nicht nötig ist. Das erleichtere die Installation ungemein, sagt der Ingenieur: „Die einzige Verbindung der Speicher ist also das Anschlusskabel ans Stromnetz.“

Weltweit riesiges Potenzial

Geeignete Standorte gibt es laut Fraunhofer IEE jedenfalls genug: „Die Küstengewässer beispielsweise vor Norwegen, Spanien, den USA und Japan – also in relativer Nähe zu dicht besiedelten Regionen – weisen großes Potenzial auf“, sagt Puchta. Weltweit, schätzen die Forscher, gebe es gute Standorte für mehr als 800 Terawattstunden installierter Speicherkapazität. Das ist mehr, als Deutschland in einem ganzen Jahr verbraucht, und das 80-Fache dessen, was die Welt laut Prognosen der Internationalen Energieagentur IEA (auf Englisch) im Jahr bis 2040 an Speicherkapazität benötigen wird. Wann solche Speicher kommerziell betrieben werden können, sagt Puchta, hänge maßgeblich von den politischen Rahmenbedingungen für den Energiespeichermarkt ab.

Derzeit sind sie so, dass etwa in Deutschland selbst abgeschriebene Pumpspeicherkraftwerke teilweise nicht wirtschaftliche betrieben werde können. Doch das, ist Puchta sich sicher, werde sich mit steigendem Speicherbedarf ändern.

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