Stahlproduktion in einem Stahlwerk
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Grüner Stahl als Schlüssel zur Dekarbonisierung der Wirtschaft
Warum es mehr Stahl braucht, um die zukünftige Stahlproduktion zu dekarbonisieren

In der heutigen Wirtschaft ist Stahl das am häufigsten verwendete Metall. Doch bei der Erzeugung einer Tonne Stahl werden nach Angaben der World Steel Association (Link in Englisch) durchschnittlich 1,85 Tonnen CO2 emittiert. Im Jahr 2020 wurden weltweit 1,86 Milliarden Tonnen Stahl produziert, also 2,6 Milliarden Tonnen Treibhausgas ausgestoßen. Damit entfielen auf die Branche sieben bis neun Prozent der jährlich vom Menschen verursachten CO2-Emissionen.

Und der Anteil könnte weiter steigen: Die Internationale Energieagentur (IEA) erwartet, dass die weltweite Stahlnachfrage bis 2050 um mehr als ein Drittel zunimmt (Link in Englisch). Es ist also dringend notwendig, die Treibhausgasemissionen des Sektors zu reduzieren. Nicht zuletzt, weil Stahl auch ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende ist: Er wird unter anderem für Windturbinen, Netzinfrastruktur, Elektrofahrzeuge und Solaranlagen benötigt.

Stahl lässt sich effizient recyceln

Da sich Stahl ohne Qualitätseinbußen wiederverwerten lässt, eignet sich der Rohstoff hervorragend für die Kreislaufwirtschaft. Für das Recycling wird Energie benötigt, allerdings nur ein Achtel so viel, wie für die Herstellung von Rohstahl erforderlich ist.

Mit jeder Tonne recyceltem Stahl lassen sich 1,5 Tonnen CO2-Emissionen sowie der Verbrauch von 1,2 Tonnen Eisenerz, 740 Kilogramm Kohle und 120 Kilogramm Kalkstein vermeiden.

Die dafür nötige Energie ist außerdem Elektrizität, die in Elektrolichtbogenöfen (EAFs) und nicht in kohlebefeuerten Hochöfen zum Einsatz kommt. Die Wiederaufbereitung von Stahl kann, sofern sie mit Erneuerbarer Energie erfolgt, also bereits kohlenstoffarm sein.

Hohe Nachfrage und kaum Altmaterial

Dass Recyclingstahl sowohl günstiger als auch kohlenstoffärmer ist als die primäre Stahlproduktion, ist fraglos positiv. Allerdings ist das Angebot unzureichend.

Das liegt daran, dass der Stahlbedarf kontinuierlich steigt und Stahlerzeugnisse rund 40 Jahre im Wirtschaftskreislauf verbleiben. Die heute anfallenden Altmaterialien stellen daher einen viel kleineren Markt dar – nämlich nur der Stahlproduktion der frühen 1980er-Jahre. Selbst bei hohen Recyclingquoten – in der Stahlindustrie beträgt sie 85 Prozent – ist also nicht genug Schrott verfügbar, um die Nachfrage zu decken.

In Volkswirtschaften, die vor Jahrzehnten ein schnelles Wirtschaftswachstum erlebten, tritt eine Art „Sättigung“ ein, da die Stahlverwendung mit zunehmender Entwicklung der Wirtschaft tendenziell abnimmt. Auch eine globale Sättigung ist vorstellbar, liegt aber weit jenseits des Zeithorizonts der Energiewende. Und selbst dann müsste Stahl mit niedrigem Reinheitsgrad mit solchem aus der Primärproduktion gemischt werden, um qualitativ hochwertige Produkte herzustellen.

Der Ausbau der Kapazitäten für Schrott und Elektrolichtbogenöfen hatte daher zwar einen starken Einfluss auf die Primärstahlerzeugung, konnte deren Wachstum jedoch nicht bremsen.

Die globale Eisenerzproduktion ist in der letzten Dekade weiter gestiegen, von 1.970 Mio. Tonnen auf 2.542 Mio. Tonnen im Jahr 2019, bis sie 2020 einen Rückgang verzeichnete. Die Covid-19-Pandemie und der Ukraine-Krieg schufen enorme Unsicherheiten. Davon abgesehen wird jedoch prognostiziert, dass die Stahlnachfrage in den nächsten zehn Jahren um etwa vier Prozent pro Jahr steigen wird.

Was die Stahlnachfrage antreibt

Im Zuge der Energiewende wird zwar viel Stahl benötigt, der Haupttreiber der Nachfrage ist aber die zunehmende Urbanisierung. Auf Gebäude und andere Infrastrukturen entfällt etwas mehr als die Hälfte der weltweiten Stahlnachfrage.

Seit den 1990er-Jahren hat China eine der größten Landfluchtbewegungen der Geschichte durchlaufen. Das hat nicht nur der verarbeitenden Industrie einen Schub gegeben, sondern das Land auch zum globalen Epizentrum der Stahlproduktion und des Stahlverbrauchs gemacht.

China hat sich zum Ziel gesetzt, den Höhepunkt der CO2-Emissionen seines Stahlsektors bis 2030 zu erreichen. Angesichts des rasanten Wirtschaftswachstums in den frühen 2000er-Jahren dürfte es in den 2030er Jahren dort zu einem erheblichen Anstieg des inländischen Angebots an Altmaterial kommen. Das wiederum könnte zu einer erheblichen Emissionsminderung im Stahlsektor führen, insbesondere da sich auch die Nachfrage im Immobiliensektor abkühlen könnte.

Indien als Schwerpunkt der Nachfrage

Nachfrageverschiebungen aufgrund unterschiedlicher wirtschaftlicher Entwicklungsniveaus führen immer wieder zu neuen Kapazitätsinvestitionen. Demgegenüber bleiben in stärker gesättigten Märkten Kapazitäten frei. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat überschüssige Produktionskapazitäten deshalb als eines der Hauptprobleme der Branche identifiziert (Link in Englisch). Doch die Zahl der Stahlwerke nimmt weltweit weiter zu.

So errichtet etwa China weiterhin zusätzliche Kapazitäten für die Herstellung von Flachstahlerzeugnissen, die in hochwertigen Produkten verwendet werden. Gleichzeitig geht die Nachfrage nach Langstahlerzeugnissen zurück, die vor allem im Bauwesen zum Einsatz kommen.

Es wird angenommen, dass Indien China bis zum Jahr 2050 als bevölkerungsreichstes Land der Erde überholen und eine Urbanisierungswelle erfahren wird, die sowohl auf Landflucht als auch auf wachsende Bevölkerungszahlen zurückgeht. Infolgedessen würden die indische Stahlnachfrage und die Produktionskapazitäten drastisch zulegen. Die indische Unternehmensgruppe Adani, der südkoreanische Stahlhersteller Posco und ArcelorMittal Nippon Steel India haben daher unlängst beträchtliche Milliardeninvestitionen in den Aufbau neuer Stahlkapazitäten in Indien angekündigt (Link in Englisch).

Dekarbonisierung des Primärstahls

Dass diese und weitere neue Stahlerzeugungskapazitäten CO2-arm sind, ist für die Energiewende von entscheidender Bedeutung. Doch die Dekarbonisierung der primären Stahlproduktion ist eine gewaltige Herausforderung. Die EU-Stahlhersteller haben dabei eine Vorreiterrolle übernommen. Sie zu bewältigen wird aber nur gelingen, wenn der Prozess zuallererst in Asien stattfindet, wo 67 Prozent der weltweiten Stahlproduktionskapazitäten angesiedelt sind. Mit dem Nahen Osten ist dies auch der Ort, an dem die meisten neuen Anlagen entstehen werden.

Die IEA betont, dass selbst bei maximalem Recycling, Effizienzsteigerungen in der Produktion und der Entwicklung leichterer sowie langlebigerer Stahlerzeugnisse ein breites Portfolio bahnbrechender Technologien erforderlich ist, um die Emissionen aus der Primärstahlerzeugung merklich zu reduzieren. Die World Steel Association erklärt, dass „ein völlig neues, verändertes Verfahren zur Eisenherstellung erforderlich ist“.

In der Praxis bedeutet das, dass Kohle als Reduktionsmittel abgeschafft oder ihre Verwendung eingeschränkt werden muss. Als Alternativen kommen Wasserstoff oder nachhaltige Biomasse in Frage sowie verschiedene Formen der Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung, um die Emissionen aus herkömmlichen Hochöfen zu verringern.

Die World Steel Association erachtet jede Option, abhängig von lokalen Ressourcen und politischen Rahmenbedingungen, als potenziell möglich. All dies dürfte sich in einem ohnehin schon hart umkämpften Markt auf die anfallenden Kosten auswirken. Eine Förderung von Investitionen in grünen Stahl und die Schaffung von Märkten dafür scheinen daher notwendige Schritte zu sein, um Stahlhersteller zu schützen, die bereit sind, die Risiken einer grundlegenden Umstellung der Produktionstechniken zu tragen.

Wasserstoffpfad durch Erneuerbare Energien

Wasserstoff scheint eine der vielversprechendsten Optionen zu sein, da die Direktreduktion von Eisen im Lichtbogenofen ein Verfahren ist, das im Sektor bereits in großem Umfang zur Herstellung von Stahl aus Eisenerz eingesetzt wird. Dabei wird das Reduktionsmittel Kohle durch Wasserstoff und Kohlenmonoxid ersetzt.

Gegenwärtig werden etwa 75 Prozent des erforderlichen Wasserstoffs aus Erdgas und der restliche Teil aus Kohle gewonnen. Dieser kann aber durch nachhaltigen und durch Elektrolyse aus erneuerbaren Energiequellen erzeugten Wasserstoff ersetzt werden. Verschiedene Projekte versuchen auch, Eisen direkt mit reinem H2 zu reduzieren statt mit Wasserstoff und Kohlenmonoxid.

In der Debatte über Wasserstoff zeigt sich einmal mehr, dass die Zukunft einer der wichtigsten Industrien der Welt von den Entwicklungen in einer anderen Branche abhängt – dem Energiesektor. Nur mit einem erheblichen Kapazitätsausbau für Erneuerbare Energien kann genügend nachhaltiger Wasserstoff zu vertretbaren Kosten produziert werden, um eine der vielversprechendsten Optionen für eine tiefgreifende Dekarbonisierung des Stahlsektors zu bieten.

Das ultimative Ziel wäre eine vollständige Kreislaufwirtschaft, bei der der Stahl, der heute in Windkraftanlagen und Solarparks verwendet wird, den sauberen Brennstoff für den grünen Stahl von morgen liefert.

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