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Stromnot in Deutschland?
Im Juni stand das Elektrizitätsnetz an mehreren Tagen kurz vor dem Kollaps. Das Ausland musste helfen

„Chaos im Netz“ ist der (deutsche) Titel eines Animationsfilms von Walt Disney, der Ende Januar in die Kinos kam. Der Streifen beschäftigt sich offensichtlich nicht mit den Zuständen im hiesigen Strom-Netz. Doch wer in den vergangenen Tagen mit Netzbetreibern sprach, bekam genau diese drei Worte zu hören. Im deutschen Elektrizitätsnetz herrschten im Juni teils chaotische Zustände: zu wenig Power, Hilfsaktionen aus dem Ausland, explodierende Preise.

Konkret geht es um den 6., 12. und 25. Juni. An diesen Tagen stellten die deutschen Netzunternehmen fest, dass im sogenannten Markt für Regelenergie die Mengen nicht ausreichten. Benötigt wurden sechs Gigawatt, vertraglich bereit stand aber nur die Hälfte. Es gab also schlicht nicht genug Strom, um für Schwankungen im Netz eine Reserve vorzuhalten.

Die Vermeidung von Unregelmäßigkeiten ist extrem wichtig, denn wenn das System aus dem Takt gerät, schwankt die Stromfrequenz. Die Turbulenzen waren so groß, dass nach Angaben von Fachleuten nicht nur das gesamte europäische System in Mitleidenschaft gezogen wurde, sondern auch die Sicherheit der Versorgung hierzulande auf dem Spiel stand. Stichwort: Blackout.

Die Netzbetreiber beschafften zusätzliche Stromlieferungen an der Strombörse sowie im Ausland und griffen auf Angebote von großen Stromverbrauchern zurück, sie gegen Bezahlung kurzzeitig vom Netz zu nehmen. Laut Medienberichten lagen die Kosten für Regelenergie allein an einem Tag bei rund 17 Millionen Euro. An normalen Tagen kommen teils nur wenige Tausend Euro zusammen.

Netzbetreiber: Lage war angespannt

„Die Lage war sehr angespannt und konnte nur mit Unterstützung der europäischen Partner gemeistert werden“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme der vier Netzbetreiber Amprion, Tennet, 50Hertz und Transnet-BW. Die Unterdeckung hatte aber nicht nur eine Hilfsaktion der Nachbarn zu Folge, die kräftig Strom in den deutschen Markt pumpten. Auch an der Börse schossen die Preise für Energie durch die Decke. Plötzlich kostete ein Megawatt positiver Minutenreserveleistung in der Spitze mehrere tausend Euro.

Aber warum kam es zu dieser Unterdeckung? Grundsätzlich müssen Marktteilnehmer den eignen Bilanzkreis ausgeglichen halten, d.h. sie müssen genau soviel Strom einkaufen wie sie selbst verkaufen. Es könnte nun aber sein, dass der ein oder andere die eigene Erzeugung bzw. den eigenen Bedarf nicht genau genug prognostiziert und sich daher nicht entsprechend am Strommarkt eingedeckt hatte. Bei Bedarf wurde dann einfach die günstige Regelenergie abgerufen. Es wird auch spekuliert, Marktteilnehmer könnten das System missbraucht und Strom bei hohen Preisen verbotenerweise in den Intraday-Markt (= tagesaktueller Handel) verkauft haben, ohne diese Verkäufe mit der eigenen Erzeugung gedeckt zu haben.

Die vier Netzbetreiber und die zuständige Aufsicht, die Bonner Bundesnetzagentur, halten sich zu den Ursachen bedeckt. Beide wollen für eine „sorgfältige Analyse“ erst noch weitere Daten auswerten. Diese Untersuchung könne bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen, hieß es.

Doch die kritischen Engpässe liefern reichlich Stoff für Diskussionen. Schon hat die Debatte begonnen, ob die aktuellen Rahmenbedingungen für den Regelenergie-Markt ausreichend sind, um solche Manipulationen zu unterbinden. So beklagt die Netzexpertin der Grünen, Ingrid Nestle, Fehlanreize in der Ausschreibungspraxis. Ihre Forderung: Die Bundesregierung müsse diese unverzüglich abstellen.

Wettbewerb im Markt funktioniert

Insgesamt zeigt die Preisdynamik allerdings, dass der Wettbewerb im Markt für Regelenergie funktioniert: hohe Preise ziehen sofort mehr Angebot an, was direkt zu einem schnellen Preisabfall und Normalisierung der Lage führt.

Derzeit wären größere nationale Änderungen am bestehenden Ausschreibungssystem in Deutschland sowieso wenig sinnvoll, denn Mitte 2020 soll eine geplante EU-weite Reform der Regelenergiemarktes in Kraft treten. Allerdings könnten die Übertragungsnetzbetreiber über weitere Anreize nachdenken, um Verbesserungen bei der Bilanzkreispflege zu erreichen und die Inanspruchnahme der Regelenergie (und somit die Gesamtkosten) zu reduzieren.

Erneuerbare erschweren Prognosen

Was man bei der ganzen Debatte aber im Blick behalten sollte: Eine wachsende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Quellen erschwert exakte Prognosen. Wind und Sonne sind nun einmal bedingt steuer- und vorhersagbar. Für manchen Experten ist daher klar, dass die Reservekosten angesichts wachsender Kapazitäten für grünen Strom steigen müssen.

Zudem geben sie zu bedenken, dass solche Preisspitzen geradezu erwünscht seien im derzeitigen „Energy only“-Markt, denn genau diese Erträge sollen ja dafür sorgen, dass Stromproduzenten genug verdienen, um wieder in Anlagenwartung und neue Kraftwerke investieren zu können.

Bildnachweis: Tobias Arhelger, shutterstock.com

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