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Windkraft – Rückgrat der Wasserstoffwirtschaft Finnlands
Mit Windkraft und anderen erneuerbaren Quellen strebt Finnland eine Führungsrolle in der Wasserstoffwirtschaft an
  • Finnland will 10 Prozent der grünen Wasserstoffproduktion in der EU erreichen
  • Projektpipeline für Windkraft bei über 120 Gigawatt (GW)
  • Entwicklungspläne deuten auf Stromüberschuss in den kommenden Jahren hin
  • Verfügbarkeit von Metallen und Süßwasser schaffen gute Voraussetzungen für finnischen Wasserstoff

Das Hydrogen Cluster Finnland (HCF), ein Netzwerk aus Unternehmen und Industrieverbänden, hat ehrgeizige Pläne vorgelegt, um das Land zu einer der führenden Wasserstoffwirtschaften Europas zu machen.

Laut dem Bericht ‚A Clean Hydrogen Economy Strategy for Finland‘ (Link in Englisch) könnten die Wasserstoffproduktion und die damit verbundenen Technologien bis 2035 potenziell zwischen 60.000 und 115.000 Arbeitsplätze mit einem wirtschaftlichen Wert von 16 bis 34 Milliarden Euro sorgen. Bis 2045 könnte dieser auf 41 bis 69 Milliarden Euro mit 150.000 bis 240.000 Arbeitsplätze ansteigen.

10 Prozent der H2-Produktion in der EU angestrebt

Der Bericht ist eine Reaktion auf das von der finnischen Regierung im Juni veröffentlichte Strategiepapier ‚Ein starkes und engagiertes Finnland‘ (Link in Englisch).

Laut des Dokuments könnte Finnland zehn Prozent der EU-weiten Produktion von sauberem Wasserstoff decken. In ihrem REPowerEU-Plan hat die Europäischen Union das Ziel formuliert, bis 2030 die Produktionskapazitäten für Wasserstoff auf zehn Millionen Tonnen auszubauen. Dies würde für Finnland bedeuten, dass es bis zum Ende des Jahrzehnts eine Produktionskapazität von 1 Million Tonnen anstrebt.

Dabei sieht die Strategie nicht vor, Wasserstoff zu exportieren. Die Regierung ist nämlich besonders an Investitionen interessiert, die es der finnischen Industrie – z. B. der Stahl-, Zement- und Chemieindustrie – ermöglichen, die CO2-Emissionen zu verringern. Zudem sollen so die Selbstversorgung und die Sicherheit der Energieversorgung Finnlands gestärkt werden. Was bedeutet dies in der Praxis? Wasserstoff soll im Inland verwendet werden, um damit beispielsweise kohlenstoffarme Kraftstoffe und Düngemittel herzustellen.

Gesamte H2-Wertschöpfungskette abgedeckt

Finnland will bis 2035 klimaneutral werden. Eine wichtige Rolle in diesem Bemühen soll eine 120-Megawatt-Anlage (Link in Englisch) zur Herstellung von grünem Wasserstoff spielen, welche der größte finnische Ölkonzern Neste in seiner Raffinerie in Porvoo entwickelt. Große Unternehmen wie Wärtsilä und finnische Universitäten erforschen ebenfalls die Möglichkeit, Kohlenstoffemissionen aus holzverarbeitenden Industrien wie Zellstofffabriken mit Wasserstoff zu kombinieren, um synthetische Kraftstoffe herzustellen.

Wärtsilä stellt Motoren her und investiert stark in Generatoren (Link in Englisch), die mit Wasserstoff und/oder Wasserstoffgemischen betrieben werden können. Im März gab das Unternehmen bekannt, dass es in Zusammenarbeit mit der WEC Energy Group einen seiner 50SG-Motoren erfolgreich mit einem Gemisch mit einem Wasserstoffanteil von 25 Prozent betrieben hat.

Unterdessen plant das Energieunternehmen St1 eine Anlage zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe (Link in Englisch). Dort soll aus grünem Wasserstoff und CO2-Emissionen aus der Zementindustrie entweder Methan oder Methanol hergestellt werden soll. Das Pilotprojekt wird mit 35,4 Millionen Euro vom finnischen Ministerium für Wirtschaft und Beschäftigung gefördert.

So will Finnland in der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette eine Führungsrolle übernehmen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Produktion von grünem Wasserstoff die Ziele der Regierung im Bereich der Energiesicherheit unterstützt. Der Schlüssel zu diesem Wandel laut dem Bericht des HCF: kostengünstige, zuverlässige und grüne Energie.

Und wo kommt die grüne Energie her?

Finnland verfügt bereits über ein relativ emissionsarmes Energiesystem. Nach Angaben von Statistics Finland deckten Erneuerbare Energien und Kernenergie im Jahr 2022 62,3 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs ab. Finnlands größte Quelle für Erneuerbare sind Holzbrennstoffe, die 28,5 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs abdeckten. Der Anteil von Wasserkraft und Windkraft lag 3,7 Prozent bzw. 3,2 Prozent, während Kernenergie 20,4 Prozent ausmachte.

Gesamtenergieverbrauch in Finnland 2022

in Prozent, Quelle: Statistics Finland

Der Anteil emissionsarmen Stroms liegt derzeit bei 89 Prozent und die Netzemissionen betragen laut HCF nur 64 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Im Jahr 2022 entfielen 34,5 Prozent der Stromerzeugung auf die Kernenergie und 54,7 Prozent auf Erneuerbare Energien. Dabei entfiel der größte Anteil auf Biomasse mit 19,2 Prozent, gefolgt von Wasserkraft mit 18,8 Prozent und Windkraft mit 16,3 Prozent.

Das Land ist jedoch nach wie vor ein Nettoimporteur von Strom und fuhr im Jahr 2022 12,5 Terawattstunden Strom ein, was 15,3 Prozent des Gesamtverbrauchs entsprach.

Kernkraft wichtig im Energiemix Finnlands

Kernenergie macht einen bedeutenden Anteil des finnischen Energiemix aus, die Regierung unterstützt sie als emissionsarme Energiequelle. Die Wasserstofferzeugung aus dem Stromnetz wird daher zunächst von dem hohen Anteil der Kernenergie an der gesamten Stromerzeugung abhängen.

Das Land verfügt über vier Reaktoren, die zwischen 43 und 46 Jahre alt sind. Dazu kommt ein neuer Reaktor, Olkiluoto 3, der im April 2023 mit der regelmäßigen Stromerzeugung begonnen hat. Die Pläne für zwei weitere Kernkraftwerke, Olkiluoto 4 und Hanhikivi 1, wurden 2015 bzw. 2022 eingestellt.

Finnlands neuester Reaktor wird die Stromimporte des Landes verringern, aber der Mangel an Neubauplänen und Stilllegungen deutet darauf hin, dass die Kernenergie allein nicht das Potenzial hat, die neue Nachfrage langfristig zu decken. Sie wird auch nicht den überschüssigen, kostengünstigen und grünen Strom liefern können, der für einen dynamischen Wasserstoffsektor erforderlich ist.

Riesige Pipeline für Windkraftprojekte

Stattdessen setzt Finnland auf Wind- und Solarenergie, wobei erstere überwiegt. Ende 2022 verfügte das Land über eine Windkraftkapazität von 5,6 GW – ein deutlicher Sprung von 3,3 GW Ende 2021.

Die installierte Leistung wird in den kommenden Jahren massiv steigen, die Pipeline an neuen Projekten, die sich in verschiedenen Entwicklungsstadien befinden, lag im Mai bei mehr als 120 GW. Zwar werden wohl nicht alle Projekte realisiert werden, und einige sind sehr langfristig angesetzt. Dennoch geht der Übertragungsnetzbetreiber FinGrid davon aus, dass bis zum Jahr 2035 zwischen 22 und 49 GW an neuen Wind- und Solarkapazitäten in Betrieb genommen werden.

Hierbei werden verschiedene Faktoren ausschlaggebend sein, unter anderem in welchem Maße die Stromnachfrage steigt. Den größten Teil wird wohl Windkraft decken. Finnland setzt also auf diese Technologie, um den für eine Wasserstoffwirtschaft erforderlichen kostengünstigen, überschüssigen Ökostrom zu liefern.

Zum Vergleich: Nach Angaben der IEA lag die zu Spitzenzeiten verfügbare Stromerzeugungskapazität im Jahr 2022 bei durchschnittlich 11,3 GW. Die gesamte installierte Stromerzeugungskapazität des Landes aus allen Quellen betrug im Jahr 2022 jedoch 21,4 GW, einschließlich 12,1 GW an erneuerbaren Energiekapazitäten.

Neben der Windkraft sind dies 3,2 GW Wasserkraft, 0,6 GW Solarenergie und 2,7 GW Bioenergie. Vor der Fertigstellung des 1,6-GW-Reaktors Olkiluoto 3 verfügte Finnland über eine Kernkraftkapazität von 2,8 GW. Die Erzeugungskapazität aus fossilen Brennstoffen und Torf beläuft sich auf 5,8 GW. Der Ausbau der Stromerzeugungskapazitäten deutet also insgesamt darauf hin, dass sich Stromüberschüsse ankündigen.

Installierte Produktionskapazitäten in Finnland 2022

in GW, Quelle: IEA Finland Energy Policy Review 2023 und IRENA Renewable Energy Statistics 2023

Offshore-Wind als zusätzliche Energiequelle

Mit Ausnahme des küstennahen Windparks Tahkoluoto mit einer Leistung von 47 Megawatt (MW) ist die gesamte derzeitige Windkraftkapazität Finnlands an Land installiert. Es wird aber erwartet, dass die Offshore-Windkraft einen beträchtlichen Teil der neuen Entwicklungen in Zukunft ausmacht.

Es gibt Pläne, Tahkoluoto auf bis zu 900 MW zu erweitern und bis zu 3 GW im Gebiet von Korsnäs zu errichten. Darüber hinaus sollen im Laufe des Jahres 2023 und im darauffolgenden Jahr fünf neue Standorte (Link in Englisch) ausgeschrieben werden, während bereits zwei weitere Standorte an der Westküste (Link in Englisch) für den künftigen Ausbau der Offshore-Windkraft identifiziert wurden.

Natürliche Ressourcen unterstützen Energiewende

Doch damit sind die Möglichkeiten Finnlands bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Technologien für die Energiewende werden eine Nachfrage nach Metallen schaffen, und Finnland verfügt über große Vorkommen an Chromit, Kobalt, Kupfer, Eisen, Blei, Nickel und Zink.

Im Februar gab die Finnish Minerals Group bekannt, dass ihre Mineralienlagerstätte Sokli in Savukoski im östlichen finnischen Lappland viel größere Mengen an Seltenen Erden enthält als bisher angenommen. Sie beherbergen eine überraschende Vielfalt an Metallen sowie große Phosphatreserven, die für die Düngemittelproduktion verwendet werden.

Nach einer Auswertung der Reserven lässt sich vermuten, dass die Lagerstätte größer ist als der jüngste Fund in Kiruna (Link in Englisch) im schwedischen Lappland, der im Januar 2023 für Schlagzeilen sorgte.

Süßwasser: Wettbewerbsvorteil in der H2-Wirtschaft

Darüber hinaus wirbt Finnland mit einer weiteren natürlichen Ressource, die sich hervorragend für die Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft eignet: Süßwasser. Für die Wasserstofferzeugung mittels Elektrolyse werden große Mengen an Süßwasser benötigt – eine Ressource, die allerdings in wasserarmen Regionen der Welt für essentielle Zwecke wie Haushalten, Industrie und Landwirtschaft benötigt.

Dem HCF-Bericht zufolge gilt Finnland als das wasserreichste Land der Welt. Dabei ist aber einzuschränken, dass ‚Wasserreichtum‘ unterschiedlich definiert wird. Denn Finnland verfügt bei weitem nicht über die größten erneuerbaren Süßwasserreserven der Welt, steht aber an der Spitze einer Entwicklungsstudie aus dem Jahr 2002 mit dem Titel ‚The Water Poverty Index: an International Comparison‘ (Link in Englisch). Laut dieser schneidet Finnland bezüglich erneuerbarer Süßwasserressourcen pro Kopf gut ab. Gleiches gilt insbesondere für die Kategorie internationale Maßnahmen für gutes Wassermanagement.

Die Verfügbarkeit von Süßwasser ist für die Wasserstoffproduktion wichtig, weil dadurch auf energieaufwändige Entsalzungsanlagen verzichtet werden kann, die die Kosten erheblich in die Höhe treiben würden.

Die Mischung macht es

Finnland hofft, dass eine Mischung aus Süßwasser, überschüssiger Windenergie und wichtigen Mineralien dem Land den nötigen Wettbewerbsvorteil verschafft, um eine führende Rolle im aufstrebenden europäischen Wasserstoffsektor zu übernehmen.

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