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Warum die Chemiebranche so viel Wasserstoff benötigt
Wasserstoff-Kompass: Industriezweig verbraucht nicht nur viel Energie, er stellt auch Produkte aus den fossilen Rohstoffen selbst her
  • Die chemische Industrie ist der größte Wasserstoffnachfrager in Deutschland
  • Der deutsche Wasserstoffbedarf könnte sich bis 2045 versechsfachen
  • Als Grundstoff kann grüner Wasserstoff grauen leicht ersetzen
  • Die chemische Industrie gilt als priorisierter Einsatzbereich
  • Mit Biomethan könnten Kunststoffe sogar zur CO2-Senke werden

Ob als saisonaler Energiespeicher oder Hoffnungsträger der emissionsneutralen Luftfahrt – längst gilt Wasserstoff (H2) als ein zentraler Baustein der Klimaneutralität. Darüber hinaus ist H2 schon heute ein wichtiger Grundstoff für die chemische Industrie. Gegenwärtig ist dieser Wirtschaftszweig mit Abstand der größte H2-Verbraucher in Deutschland. 1,1 Megatonnen (Mt) wurden laut „Wasserstoff-Kompass“ im Jahr 2021 in deutschen Chemieanlagen genutzt. Das entspricht einem Energiegehalt von 37 Terawattstunden (TWh) und rund zwei Dritteln des hierzulande eingesetzten Wasserstoffs.

Eine Roadmap für die Wasserstoffwirtschaft

Bis zur vertraglich vorgeschriebenen Klimaneutralität 2045 könnte dieser Bedarf in der chemischen Industrie auf mehr als 220 TWh ansteigen. Das hat das Projektteam des Wasserstoff-Kompasses ausgerechnet. Es besteht aus Experten der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie (DECHEMA) und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech), die eine Roadmap für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft erarbeiten sollen.

Gefördert wird das Projekt mit 4,25 Millionen Euro aus den Budgets der Bundesministerien für Bildung und Forschung respektive Wirtschaft und Klimaschutz. Dabei sollen die Forschenden vor allem vorhandene Studien auswerten, um Akteuren aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik ein gemeinsames Verständnis darüber zu ermöglichen, wie eine künftige Wasserstoffwirtschaft aussehen könnte und was dafür zu tun wäre.

Chemie erzeugt 15 Prozent der deutschen CO2-Emissionen

Unter anderem beschäftigt sich das Projekt mit der chemischen Industrie. Auf die entfallen laut H2-Kompass jährliche Treibhausgasemissionen von rund 112 Mt CO2-Äquivalenten, Raffinerien nicht eingerechnet. Das sind etwa 15 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands. Und das, obwohl die Branche nur etwa sieben Prozent der Energie verbraucht.

Das scheinbare Missverhältnis von Energiebedarf und Emissionen geht auf die stoffliche Nutzung fossiler Rohstoffe zurück: Die chemische Industrie nutzt Kohle, Erdöl und Erdgas nicht nur für die Energieversorgung. Sie spaltet sie auch in ihre Elemente – vor allem Kohlenstoff und Wasserstoff – auf, um diese dann neu zusammenzusetzen. Auf diese Weise produziert sie Grundstoffe wie Ammoniak und Methanol, die dann zu Kunststoffen und -harzen, Dünger und Lacken, Körperpflege-, Putz- oder Arzneimitteln weiterverarbeitet werden.

Anteil fossiler Rohstoffe im Endprodukt

in Prozent, Quelle: Wasserstoff-Kompass

All diese Produkte enthalten also fossile Rohstoffe. Einige bestehen sogar zu 100 Prozent aus ihnen. Allein die Treibhausgase, die am Ende des Produktzyklus durch Verbrennung oder Verbrauch entstehen, machen laut H2-Kompass die Hälfte der Branchenemissionen aus. Weitere Treibhausgase fallen bei verschiedenen Umwandlungsprozessen an.

Grüner Wasserstoff ist das Mittel für eine nachhaltige Chemiebranche

Selbst wenn die Chemiebranche ihre Energie ausschließlich aus nachhaltigen Quellen beziehen würde, könnte sie ihre Emissionen damit also nicht einmal halbieren. Umgekehrt bedeutet das: Die chemische Industrie kann mehr als die Hälfte ihrer Emissionen einsparen, indem sie anstelle von fossilem (grauem) Wasserstoff auf nachhaltigen (grünen) umsteigt.

Bisher wird reines H2 nämlich fast ausschließlich aus fossilen Rohstoffen gewonnen. Wobei Deutschland mit einem Anteil von etwa fünf Prozent nachhaltig gewonnenem Wasserstoff im internationalen Vergleich noch recht gut dasteht.

Wasserstoff-Farbenlehre

Grau

Konventionell wird reiner Wasserstoff aus Erdgas gewonnen. Das dabei ebenfalls entstehende CO2 wird in die Atmosphäre entlassen.

Blau

Die Treibhausgase der Erzeugung grauen Wasserstoffs werden aufgefangen und dauerhaft gespeichert.

Türkis

Erdgas wird mittels Methanpyrolyse aufgespalten. Dabei fällt statt CO2 fester Kohlenstoff an, der dann dauerhaft eingelagert wird. Wie blauer Wasserstoff hängt der Grad der Emissionsneutralität von der Quelle der eingesetzten Energie ab.

Rosa

Strom aus Kernkraft wird genutzt, um per Wasserstoff-Elektrolyse H2 aus Wasser zu gewinnen.

Grün

Erneuerbare Energien werden genutzt, um H2 per Elektrolyse oder mittels anderer emissionsneutraler Verfahren zu erzeugen.

Die Herausforderung dabei: Zwar haben sich die Preise für Wasserstoff aus den verschiedenen Erzeugungsverfahren (s. Infokasten) in den letzten Jahren einander genähert. Aber noch ist die konventionelle Gewinnung von H2 die günstigste und vor allem diejenige mit den weitaus größten Produktionskapazitäten.

Chemische Industrie: die erste Etappe der Wasserstoffwirtschaft?

Eine wichtige Frage ist daher, wo emissionsarmer Wasserstoff primär eingesetzt werden soll, solange die H2-Nachfrage nicht ohne die graue Variante zu decken ist. Grauer Wasserstoff zum Heizen oder zur Stromerzeigen zu verwenden, wäre ein Bärendienst am Klima, da fossile Brennstoffe bei vergleichbaren Emissionen mehr Energie liefern. Dasselbe würde aber gelten, wenn die chemische Industrie grauen Wasserstoff nutzen müsste, weil der grüne in Gaskraftwerken oder Heizungen verbrannt wird.

Und zwei weitere Gründe sprechen dafür, dass emissionsarmer Wasserstoff zunächst in der chemischen Industrie genutzt wird. Erstens: Während es für die Strom- und Wärmeerzeugung effizientere Alternativen zum Wasserstoff gibt, ist er als Grundstoff für etliche industrielle Prozesse und Erzeugnisse nicht zu ersetzen: Ammoniak und Methanol sowie praktisch alle oben genannten Produkte des täglichen Lebens tragen nun einmal ein H in der chemischen Summenformel.

Zweitens: Auch in der Luftfahrt gibt es keine praktikable Dekarbonisierung, die nicht über nachhaltigen Wasserstoff führt. Doch während H2-Triebwerke gerade erst entwickelt werden, bedarf es in vielen Prozessen der chemischen Industrie praktisch keiner Innovation, um grauen Wasserstoff durch grünen zu ersetzen. Denn beide sind 1:1 austauschbar.

Chemische Industrie ermöglicht negative Emissionen

Auf diese Weise könnten Kunststoffe sogar zur dauerhaften CO2-Senke werden. Wird nämlich nachhaltiger Wasserstoff mit Kohlenstoff aus Biomethan verwendet, um langlebige Produkte wie Gartenmöbel, Karosserieteile oder Lack herzustellen, wird darin Kohlenstoff dauerhaft gebunden, den Pflanzen im Wachstum der Atmosphäre entzogen haben.

Dasselbe kann für Syngas – einem Zwischenprodukt aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid – gelten, das direkt aus Solarenergie oder zum Beispiel durch Pyrolyse aus Siedlungsabfällen mit biogenem Anteil erzeugt wird.

Auch Kunststoffabfälle und weitere Wertstoffe können im Sinne der Kreislaufwirtschaft auf verschiedene Weise wiederverwertet werden. Chemische Verfahren erlauben es auch aus gemischten Abfällen und Verbundstoffen Syngas zu erzeugen. Unter Verwendung Erneuerbarer Energie können Produkte daraus zumindest als emissionsfrei gelten.

Das Unternehmen RWE erprobt das Konzept zum Beispiel im Projekt „FUREC“ in den Niederlanden. Dabei produziert es Wasserstoff aus Siedlungsabfällen. Doch bisher werden laut H2-Kompass erst 35 Prozent der Kunststoffabfälle stofflich verwertet, der Rest wird in Kraftwerken verbrannt.

Chemiebranche braucht H2 auch für die Energiezufuhr

Viele chemische Prozesse, die Wärme auf niedrigem Temperaturniveau benötigen, sind vergleichsweise einfach zu dekarbonisieren: Wärmepumpen und (Dampf-) Elektrodenkessel, bei denen Wärme erzeugt wird, indem elektrischer Strom durch Wasser geleitet wird, können mit erneuerbarem Strom betrieben werden.

Für Hochtemperaturprozesse mit Temperaturen jenseits von 300 Grad Celsius bedarf es jedoch weiterhin Erdgas, das bisher lediglich mit (nachhaltigem) Wasserstoff ergänzt werden kann, langfristig aber abgelöst werden sollte. Solche Prozesse könnten derzeit nur mit synthetischen Brennstoffen oder durch Auffangen der CO2-Emissionen klimaneutral betrieben werden. Grüner Wasserstoff könnte dieses Problem lösen.

Fazit: Die chemische Industrie benötigt Wasserstoff auf fast allen Ebenen

Neben dem „Basisbedarf“, der heute 37 MWh Wasserstoff umfasst, wird die Chemiebranche künftig H2 auch in anderen Bereichen benötigen. Dazu gehören Zwischenprodukte und Grundstoffe, die zwar auch heute schon Wasserstoff enthalten, der aber nicht unbedingt den Weg über reines H2 gegangen ist. Hinzu kommt der energetische Einsatz, insbesondere zur Erzeugung von Hochtemperaturwärme.

Aus den vielfältigen Einsatzbereichen für Wasserstoff in der chemischen Industrie erklärt sich, wie die Forschenden beim Wasserstoff-Kompass zu dem Ergebnis kommen, dass sich der Bedarf bis 2045/2050 auf mehr als 220 TWh versechsfachen wird. In der Spitze prognostizieren die Forschenden sogar einen Bedarf von bis zu 283 TWh, was dem 7,5-Fachen des heutigen Verbrauchs entspräche.

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