Zweistrahliges Verkehrsflugzeug fliegt vor der gleißenden Sonne her
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Solar-Kerosin: Mit Sun-to-Liquid zum CO2-neutralen Fliegen?
Nachhaltiges Flugbenzin soll den Weg für umweltfreundliches Fliegen ebnen. Erste industrielle Anlage in Deutschland

Bio-Diesel aus Raps, Ethanol aus Mais oder Zucker – das sind mittlerweile recht gängige Alternativen zu fossilem Sprit. Bisher werden sie meist genutzt, um konventionelle Kraftstoffe zu ergänzen. CO2-neutrale Kraftstoffe können auch aus Wasser und Kohlendioxid synthetisiert werden. Dafür muss die eingesetzte Energie nachhaltig gewonnen werden. Bisher bedeutet das fast ausschließlich: Ökostrom. Doch nun könnte ein dritter Weg – genauer gesagt eine Abkürzung – vor dem Durchbruch stehen: Sun-to-Liquid.

Bei Sun-to-Liquid-Verfahren wird die energieintensive Vorstufe der Kraftstoffsynthese direkt mittels Sonnenenergie betrieben. Der Umweg über die Stromproduktion entfällt also. Über mehrere Jahre haben gut vernetzte Forschungs- und Entwicklungsteams – insbesondere an der ETH Zürich und dem Deutschen Zentrum Luft- und Raumfahrt im Forschungszentrum Jülich sowie in der bisher größten Versuchsanlage in Móstoles nahe Madrid das Verfahren vorangetrieben.

Mitte des Jahres haben sie ihre Forschungsergebnisse in einem Paper zusammengefasst: „Wir haben den gesamten Produktionspfad von CO2, Wasser und Sonnenlicht hin zu flüssigen Treibstoffen, inklusive Kerosin, in vorindustriellem Maßstab demonstriert“, so Co-Autor Stefan Zoller von der ETH Zürich gegenüber dem en:former.

Erste industrielle Sun-to-Liquid-Anlage der Welt

Nun will das Schweizer Unternehmen Synhelion, ein Spin-Off eines der früheren Forschungsprojekte der ETH Zürich, den Schritt in die industrielle Produktion einläuten: „Am 6. September feierten wir in Jülich den Spatenstich für die erste Sun-to-Liquid-Anlage in industriellem Maßstab weltweit“, sagte Unternehmenssprecherin Carmen Murer dem en:former. „Wir bauen eine nicht-kommerzielle Demonstrationsanlage, mit der wir zeigen wollen, dass synthetische Kraftstoffe in großen Mengen direkt aus Sonnenenergie erzeugt werden können.“

Kommerzielle Anlagen müssten zwar in sonnenreicheren Gefilden errichtet werden, um eine entsprechende Auslastung zu garantieren. Für die Demonstrationsanlage sei Jülich im Rheinland allerdings perfekt: „Unsere deutsche Niederlassung befindet sich dort, weil wir unsere Technologie zu großen Teilen mit unseren Partnern im Forschungszentrum Jülich entwickelt und erprobt haben.“

Nachhaltiges Flugbenzin aus konzentriertem Sonnenlicht

Die Anlage ähnelt zunächst einem CSP-Kraftwerk (Concentrated Solar Power): Ein Feld voller Reflektoren wirft Sonnenlicht gebündelt auf einen Punkt in der Spitze eines Turms. Dort wird in Solar-Turm-Kraftwerken ein Trägermedium erhitzt, das eine Dampfturbine antreibt, um Strom zu erzeugen. In einer „Solar Tower Fuel Plant“ (Solarturm-Kraftstofffabrik) wird stattdessen ein Reaktor betrieben, der in zwei Schritten fertiges Flugbenzin erzeugt.

Im ersten Schritt wird aus Wasser und CO2 ein Synthesegas aus Wasserstoff (H2) und Kohlenmonoxid (CO) gewonnen. Im zweiten Schritt wird aus diesem Syngas über das bewährte Fischer-Tropsch-Verfahren nachhaltiges Kerosin. Außer dem Sonnenlicht besteht lediglich ein geringer Energiebedarf, um die verschiedenen Substanzen durch die Anlagen zu pumpen.

Innovation hebt Produktion von Solar-Kerosin auf neues Level

Die neue Anlage von Synhelion birgt einige technische Optimierungen. Die wichtigste Innovation: „Der Reaktor wird nicht mehr direkt durch das Sonnenlicht erhitzt, sondern indirekt über einen Wärmeträger“, wie Unternehmenssprecherin Murer erklärt. „Wir nutzen ein Gasgemisch aus CO2 und Wasserdampf, mit dem der Syngas-Reaktor auf bis zu 1.500 Grad erhitzt werden kann.“

Damit sei das Tor zur Massenproduktion synthetischer Treibstoffe aus Sonnenlicht weit aufgestoßen: „Fischer-Tropsch- und Methanolsynthese sind seit Jahrzehnten ausgereifte, skalierbare Verfahren“, sagt Murer. „Nun können wir auch das Vorprodukt, das Syngas, in industriellem Maßstab mithilfe von Sonnenenergie produzieren.“

Konkret: Mit einem 250-Kilowatt-Receiver ist laut Synhelion nun eine Produktion von 100 Kubikmetern Syngas pro Stunde möglich. Dies erlaube eine Produktion von 150.000 Litern Solar-Kraftstoff pro Jahr. „Unser Zwischenprodukt ist synthetisches Rohöl, das dann zu verschiedenen Kraftstoffen raffiniert werden kann.“

SAF kurzfristig die einzige Alternative zu fossilem Kerosin

Vornehmlich soll dies Flugbenzin sein. Denn der Bedarf an nachhaltigem Kraftstoff ist in der Luftfahrt besonders hoch, weil der Flugverkehr als nahezu nicht elektrifizierbar gilt. Als einzige Alternative wird bisher Wasserstoff gehandelt, aber der wäre nur in neuartigen Flugzeugen einsetzbar, die es noch gar nicht gibt. SAF dagegen könnte – in praktisch beliebigen Mengen – konventionellem Flugbenzin beigemischt werden, um die Treibhausgasemissionen ab sofort effektiv zu senken.

Genau das hat der internationale Dachverband der Fluggesellschaften (IATA) vor: Ab 2025 sollen mindestens zwei Prozent des Kerosins emissionsneutral sein. Bis 2050 will die IATA die gesamte Luftfahrt vollständig CO2-neutral zu machen. Dann sollen 65 Prozent des Flugbenzins nachhaltig gewonnen werden. Bei Synhelion hofft man, dass man ab 2030 pro Jahr 875 Millionen Liter Solar-SAF dazu beisteuern kann.

Solarfelder von der Fläche Niedersachsens nötig

Allerdings beläuft sich der weltweite Bedarf an Flugbenzin schon heute auf rund 375 Milliarden Liter jährlich Jahr. Schätzungen zufolge dürften es 2050 mehr als 600 Milliarden Liter werden. Um diese Menge auf Basis der Synhelion-Technologie zu erzeugen, schätzt Murer, bräuchte man wohl eine Landfläche von etwa 50.000 Quadratkilometern.

Die benötigte Fläche wäre also größer als das zweitgrößte deutsche Bundesland Niedersachsen und entspräche etwa dem 100-fachen der Ende 2020 weltweit installierten Photovoltaik-Anlagen. Andererseits wären das 0,5 Prozent der Sahara, 0,6 Prozent Australiens und 1,4 Prozent der arabischen Halbinsel – Standorte, die für solche Anlagen prädestiniert sind.

ETH-Forscher Zoller geht davon aus, dass die Technologie mit der Zeit noch effizienter wird: „Der aktuell erreichte Wirkungsgrad ist noch tief, der theoretisch mögliche Wirkungsgrad ist in jedem Fall höher als beim Weg über Photovoltaik und Elektrolyse.“ Gegenüber Bio-Sprit hat Solar-Kerosin laut Zoller einen ganz offensichtlichen Vorteil: „Es kann auf landwirtschaftlich unproduktiver Fläche eingesetzt werden, steht also nicht in Konkurrenz mit dem Anbau von Lebensmitteln.“

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