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Energiewende in Polen: Erneuerbare auf Wachstumskurs
Das Land hängt erheblich von fossilen Brennstoffen ab. Doch die Windenergie soll stark ausgebaut werden

Polen ist eindeutig das Kohleland Euopas. Obwohl die polnische Kohleverstromung im Jahr 2020 um 12 Prozent gesunken ist, ist das Land nichtsdestotrotz der größte Kohleverstromer der Region – nicht zuletzt, weil Deutschland gleichzeitig einen Rückgang von 39 Prozent verzeichnete, so eine Analyse das Think Tanks „Ember“ (auf Englisch). Dabei hat es mit rund 38 Millionen Einwohnern und einer vielfach geringeren Wirtschaftsleistung einen viel niedrigeren Strombedarf als das westliche Nachbarland. Noch deutlicher wird die Ausnahmenstellung im Vergleich zu anderen EU-Staaten: Polen produziert so viel Kohlestrom wie alle anderen Mitgliedsländer – Deutschland ausgenommen – zusammen. Seit Jahrzehnten dominieren Stein- und Braunkohle den Strommix, Ende 2020 lag deren Anteil an der Stromerzeugung bei knapp 70 Prozent.

Doch auch in Polen nimmt die Energiewende – wenn auch deutlich langsamer als andernorts in Europa – an Fahrt auf. Erneuerbare Energieträger gewinnen für die Energieversorgung zunehmend an Bedeutung, und neue Regierungsbeschlüsse sollen insbesondere den Ausbau der Windenergie auf hoher See und Photovoltaik vorantreiben, auch Onshore-Windenenergie soll sich schon bald dazu gesellen. So will Polen seine CO2-Emissionen deutlich senken – was angesichts der ambitionierten Klimaziele der EU auch dringend notwendig ist. In einer zweiteiligen Miniserie wirft der en:former einen Blick auf das Land im Wandel zwischen Kohle-Tradition und Erneuerbaren. In Teil eins analysieren wir die aktuelle Situation.

Bergbau: wichtiger Arbeitgeber mit viel Tradition

Bei den Fragen, warum Polen so stark von der Kohle abhängt und sich beim Umbau das Energiesystems erkennbar schwertut, lohnt sich ein Blick in Vergangenheit und Gegenwart. Die Kohle befeuerte die Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert in Schlesien. Bis heute dient das „schwarze Gold“ vielen Polen als Job-Garant und Wirtschaftstreiber. Gerade in ländlichen Regionen steht die Kohle noch heute für Arbeitsethos und die Unabhängigkeit von russischen Energieimporten.

Und auch heute noch ist die Branche ein wichtiger Arbeitgeber. Anfang 2021 waren etwa 80.000 Menschen allein im polnischen Kohle-Bergbau beschäftigt, mindestens noch einmal so viele Arbeitsplätze hängen an der gesamten Kohlewirtschaft und ihren Zulieferern. Und das häufig in ländlicheren und wirtschaftlich schwächeren Regionen, abseits der Boom-Region rund um die Hauptstadt Warschau. Damit ist der prozentuale Anteil der Beschäftigten deutlich höher als in anderen europäischen Ländern.

Allerdings arbeiteten früher noch deutlich mehr Menschen in dem Sektor. Insbesondere die Steinkohlenförderung ist in den vergangen Jahren deutlich zurückgegangen. Seit 2007 ist die Fördermenge von knapp 90 Millionen jährlich auf nur noch knapp 60 Millionen Tonnen im Jahr 2019 geschrumpft – ein Rückgang um ein Drittel. Der Grund für den Rückgang: Die Flöze liegen deutlich tiefer als in anderen Weltregionen, was die Förderung teurer macht. Außerdem hat die unter diesen erschwerten Bedingungen geförderte Kohle oft nicht mehr die Qualität, die zum Beispiel Stahlkocher für ihre Hochöfen benötigen – mit Ausnahme eines einzigen Standorts, der wahrscheinlich der größte Steinkohlen- und Koksproduzent bleiben wird. Die Folge: Fast ein Fünftel des Energiekohlebedarfs wird mittlerweile durch Importe gedeckt.

Schließung aller Kohlegruben bis 2049

Trotz dieser langen Tradition einigten sich die Regierung und die einflussreiche polnische Bergarbeitergewerkschaft Ende September 2020 auf ein offizielles Ausstiegsdatum: Bis zum Jahr 2049 sollen alle polnischen Kohlegruben schließen. Die momentan geführten Diskussionen zum Beschluss eines finanziellen Polsters sehen vor, dass die derzeit beschäftigten Bergleute entweder bis zur Rente weiterarbeiten oder staatliche Unterstützung bekommen, wenn dies nicht möglich ist. Dies soll in einem „Sozialvertrag“ festgehalten werden. Ein bemerkenswerter Beschluss, da sich Polen noch im Dezember 2019 als einziges EU-Land nicht sofort zum Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2050 bekennen wollte. Doch die wirtschaftlichen Einbußen angesichts der anhaltenden Coronakrise und zunehmender Druck durch den Green Deal der EU führten zu einem Umdenken.

Auch die Kohlekraftwerke des Landes haben mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die älteste Kraftwerksflotte Europas leidet zunehmend unter den hohen Zertifikatspreisen des europäischen Emissionshandels, die sich aktuell auf einem Allzeithoch befinden und in Zukunft weiter steigen dürften. Das bedeutet erhebliche Mehrkosten, die die Wirtschaftlichkeit von Anlagen gefährden.

Erneuerbare auf Wachstumskurs

Der Blick auf den Strommix macht die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen mehr als deutlich: Der Anteil von Stein- und Braunkohle an der Stromerzeugung lag 2020 bei 70 Prozent, der von Erdgas bei 10 Prozent und der von Öl bei knapp 3 Prozent, so Daten des Energy Monitor (auf Englisch). Mehr als vier Fünftel des Stroms werden also von konventionellen Kraftwerken produziert, die Erneuerbaren haben einen Anteil von rund 17 Prozent. Unter den Erneuerbaren dominiert die Windenergie mit 10 Prozent, Solar und Wasserkraft haben lediglich jeweils einen Anteil von etwas mehr als einem Prozent.

Vor allem die Windkraft wächst seit Jahren, ihr Anteil am Strommix hat sich seit 2014 mehr als verdoppelt. Fast 0,5 Gigawatt (GW) neue Wind-Onshore-Kapazität und 2,4 GW PV-Kapazität sind 2020 ans Netz gegangen, vor allem dank CfD-Auktionen und einem Solar-Boom auf Seiten der Prosumenten – also Verbrauchern, die gleichzeitig auch Produzenten sind.

Der polnische Strommix (2020)

Quelle: Our World in Data

Beim Erneuerbaren-Anteil an der Stromerzeugung liegt Polen damit im EU-Vergleich im hinteren Drittel. Doch die polnische Regierung will mit dem neuen Energieplan des Landes bis 2040 (PEP2040) der Wind- und Solarenergie einen ordentlichen Schub verleihen. Das Ziel: Der Kohleanteil in der Stromerzeugung soll bis 2030 von 70 auf maximal 56 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig soll der Anteil der Erneuerbaren deutlich steigen: Bis 2030 auf mindestens 32 Prozent. Erreicht werden soll dieses Ziel vor allem durch den Ausbau von Solaranlagen und Offshore-Windparks.

Entwicklung des Erneuerbaren-Anteils am polnischen Strommix

Quelle: Our World in Data

Das soll helfen, bis 2030 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 30 Prozent zu senken. 2018 lag der CO2-Ausstoß in Polen bei 415 Millionen Tonnen CO2 (Mt. CO2) jährlich – das ist ein Rückgang um 13 Prozent. Entsprechend zuversichtlich äußerte sich Klima- und Umweltminister Michal Kurtyka nach der Verkündung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter: „#PEP2040 wird unser Kompass beim Übergang zu einer CO2-freien Wirtschaft sein.“

Der Übergangsplan zielt auf die Implementierung des beschlossenen „PEP2040“-Programms ab, welches von 2021 bis 2040 Ausgaben in Höhe von umgerechnet knapp 355 Milliarden Euro vorsieht. Laut Kurtyka soll die anvisierte Transformation des Energiesystems dabei innerhalb der nächsten 20 Jahre bis zu 300.000 neue Jobs kreieren. Der Fokus liegt dabei – neben dem Neubau von Kernkraftwerken – vor allem auf dem Ausbau der Erneuerbaren.

Wie die genauen Ausbaupläne bei den Erneuerbaren aussehen, beleuchtet der en:former im zweiten Teil der Miniserie.

Bildnachweis: shutterstock.com, Curioso.Photography

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