In der Emissionsbilanz schneidet Erdgas deutlich besser ab als Mineralöl und Kohle. Insbesondere als Energieträger zur Stromproduktion verdrängt Erdgas seit einigen Jahren andere fossilen Brennstoffe. Mehrere Länder haben auf diese Weise ihre CO2-Bilanz beträchtlich verbessert.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur IEA wurden im Jahr 2018 weltweit 6.100 Terawattstunden (TWh) Strom aus Erdgas erzeugt. Das waren rund vier Prozent mehr als im Jahr davor, die Kohleverstromung wuchs um ein Prozent weniger. Vorläufigen Zahlen zufolge ist die Erdgas-Verstromung auch 2019 weiter gestiegen.
Eine weltweite Entwicklung ist das allerdings nicht: Denn der Bärenanteil des Zuwachses – 2018 waren es fast Dreiviertel – kam aus den USA. Die größte Volkswirtschaft der Erde steigerte ihre Erdgas-Verstromung um 17 Prozent und generierte 2018 fast ein Viertel (1.468 TWh) des weltweiten Gasstroms.
Gleichzeitig sank die Kohle-Verstromung nach Zahlen der US-Energiebehörde EIA im Jahr 2019 das fünfte Mal in Folge – von 2014 im Vergleich zu 2019 um fast 40 Prozent. Im abgelaufenen Jahr kamen 38,4 Prozent des Stroms aus Gas und 23,5 Prozent aus Kohle. Damit hat sich der Beitrag der beiden Energieträger seit 2014 genau umgekehrt. Die CO2-Einsparungen der USA gingen bisher zu einem Großteil auf diesen Fuel-Switch (dt.: Treibstoffumstellung) zurück. Nun allerdings holen auch die Erneuerbaren auf. Schon 2021 könnten sie die Kohle als Stromlieferant überholen.
China steigerte seine Gas-Verstromung 2018 um satte 30 Prozent. Von einem Fuel-Switch kann allerdings keine Rede sein. Während Kohle den chinesischen Strommix mit einem Anteil von zwei Dritteln dominiert, entfallen auf Erdgas weiterhin nur wenige Prozent.
In Deutschland dagegen geht es mittlerweile voran: Mit 91 TWh hat das Erdgas 2019 eine Rekordmenge Strom geliefert. Das waren immerhin 15 Prozent des erzeugten Stroms. Der Anteil der Kohle lag mit 28 Prozent so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
In Italien liefert Erdgas seit Langem etwa die Hälfte des Stroms. Japan generiert etwa seit dem Reaktorunfall in Fukushima den Großteil seines Stroms aus fossilen Quellen, 2018 waren es rund Dreiviertel, etwa die Hälfte davon lieferte Erdgas. Indien kommt fast gänzlich ohne Erdgasstrom aus. In Frankreich und Kanada produzieren ihren Strom traditionell CO2-arm aus Kern- beziehungsweise Wasserkraft. Erdgas spielt auch hier praktisch keine Rolle.
Am konsequentesten hat wohl das Vereinigte Königreich den Fuel-Switch vollzogen: Mit einem CO2-Mindestpreis seit 2013 und einem früh definierten Ende der Kohleverstromung im Jahr 2025 hat Großbritannien den Bau neuer Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD) beflügelt. Heute findet die Erdgas-Verstromung in einfachen Gastrubinen nur noch in Ausnahmen statt.
Mittlerweile deckt Erdgas den Großteil der Versorgungslücken in Großbritannien ab, die Kernkraft und Erneuerbare, inklusive Wasserkraft, offenlassen. Von 2012 bis 2019 ist der Anteil des Kohlestroms von 38 auf rund zwei Prozent gesunken. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil des Gasstroms von 28 auf 41 Prozent.
Die Gründe für den Erdgasboom sind unterschiedlich. Zum einen steigt die Fördermenge, mit Ausnahme von 2009, seit zwanzig Jahren kontinuierlich an. Dabei waren die USA mit dem Fracking-Boom im abgelaufenen Jahrzehnt die maßgeblich treibende Kraft. Unterstützt von Russland, Australien und dem Mittleren Osten ist dabei so viel Erdgas auf den Markt gelangt, dass der Weltmarktpreis sank und die Nachfrage anheizte.
Hinzu kommt, dass moderne GuD-Kraftwerke einen für Kohlekraftwerke unerreichbaren elektrischen Wirkungsgrad von über 60 Prozent erreichen. In Kombination mit niedrigen Gaspreisen haben sie die niedrigsten Gestehungskosten aller konventionellen Stromquellen. Nur Wind- und Photovoltaik-Anlagen können unter guten Bedingungen preiswerteren Strom generieren.
In Deutschland kam der Fuel-Switch dagegen lange nicht voran , viele Gaskraftwerke waren nur in geringe Zeit in Betrieb. Allerdings haben die Betreiber viele Anlagen modernisiert, um sie – auch außerhalb von Regelleistung und Nachfragespitzen – konkurrenzfähig zu machen. Steigende Emissions- und sinkende Gaspreise haben ihnen nun das Rekordjahr 2019 beschert. Der Think-Tank Agora Energiewende sieht unter anderem dadurch die deutschen Klimaziele 2020 „in greifbarer Nähe“.
Mit Blick auf eine nachhaltige Energieversorgung unter Berücksichtigung der Emissionsziele kann das natürlich nur eine Zwischenlösung sein. Denn natürlich setzt auch die Verbrennung von Erdgas CO2 frei.
Dennoch können Stromanbieter mit dem Ausbau und der Modernisierung ihrer Gaskraftwerke eine CO2-reduzierte Brücke in eine emissionsfreie Zukunft bauen. Denn nach heutigem Stand dürfte es kaum möglich sein, eine sichere Energieversorgung ganz ohne chemische Speichermedien wie Methan oder Wasserstoff herzustellen.
Zumindest dort, wo – wie in Europa, den USA und Japan – eine gut ausgebaute Gasinfrastruktur besteht, könnte das die wirtschaftlichere Variante sein, verglichen mit dem auch erforderlichen Ausbau der Stromnetz- und von Stromspeicherkapazitäten. Die Emissionsziele wären zu erreichen, wenn Biogas aus Pflanzen, grüner Wasserstoff oder nachhaltiges Synthesegas hocheffiziente Gaskraftwerke befeuern.
Bildnachweis: Jilian Cain Photography, shutterstock.com