Das Bild zeigt das Schiff Ammonia, das Ammoniak transportieren kann.
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Ist Ammoniak die Zukunft der Schifffahrt?
Hohe Energiedichte und einfache Speicherung: Im norwegischen Sauda sollen ab 2027 täglich 600 Tonnen erzeugt werden

Schiffe mit Wasserkraft antreiben? Klingt irgendwie logisch. Die Investoren hinter dem Jointventure Iverson eFuels AG jedenfalls wollen daraus ein Geschäftsmodell machen: Die Wiesbadener Hy2gen will zusammen mit der dänischen Copenhagen Infrastructure Partners und dem niederländischen Energiehändler Trafigura Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken nutzen, um grünen Ammoniak herzustellen.

Abnehmer sollen vor allem Reedereien sein, die ihre Treibhausgasemissionen ihrer Schiffe reduzieren wollen. Bisher fahren nahezu sämtliche Schiffe – von der Flussfähre bis zum Containerriesen – mit fossilem Schweröl oder Schiffsdiesel. Bei deren Verbrennung entstehen nicht nur Treibhausgase, sondern auch gesundheitsschädliche Schwefel- und Stickoxide sowie Rußpartikel und Staub.

Ammoniak dagegen lässt sich nicht nur emissionsneutral zu Wasserdampf und Stickstoff (N2) verbrennen, sondern auch nachhaltig aus Stickstoff und grünem Wasserstoff (H2) herstellen. Dafür wollen die Investoren im südnorwegischen Industrieort Sauda einen Elektrolyseur mit 240 Megawatt Eingangsleistung bauen, der bei einer Auslastung von 95 Prozent durchschnittlich rund 90 Tonnen H2 pro Tag erzeugen könnte. Laut Hy2Gen könnte diese Menge Wasserstoff zusammen mit Stickstoff aus der Umgebungsluft zu rund 600 Tonnen nachhaltigem Ammoniak täglich verarbeitet werden. Die Energie dafür sollen die zahllosen norwegischen Wasserkraftwerke liefern.

Ammoniak als Schiffstreibstoff

Jens Wartmann erforscht Ammoniak und seine energetische Nutzung am Zentrum für BrennstoffTechnik (ZBT) der Universität Duisburg-Essen. Außerdem leitet er den Bereich Strategie und Technologie beim Ammoniak-Netzwerk Campfire. Rund 70 Partner aus Unternehmen, Politik und Forschung haben sich darin zusammengeschlossen, um eine Ammoniak-Wirtschaft von der Erzeugung über die Distribution bis zur Nutzung aufzubauen. Dies schließt auch die Entwicklung von Ammoniak-Schiffsantrieben ein.

Die ausgereifteste und günstigste Möglichkeit, ein Schiff mit Ammoniak zu betreiben, sagt Wartmann, sei ein herkömmlicher Viertakt-Verbrennungsmotor. Dafür müssen nur zehn Prozent des Ammoniaks (NH3) „gecrackt“, also in die Bestandteile H2 und N2 aufgespalten werden. Als Abgase fallen dann Wasserdampf und Stickstoff an. Letzteres macht knapp 80 Prozent der Luft aus. Bei der Verbrennung des restlichen Ammoniaks können zwar auch klimawirksames Lachgas und andere, gesundheitsschädliche Stickoxide (NOX) entstehen, erklärt Wartmann, aber: „Die kann man durch Katalysatoren weitgehend unschädlich machen.“

Motorschiffe ohne Treibhausgasemissionen

Für noch niedrigere Emissionen müsste man das Ammoniak vor der Verbrennung vollkommen zerlegen. Der Stickstoff ginge dann in die Atmosphäre bevor der Wasserstoff genutzt würde. Mit reinem H2 könnte man aber auch eine Niedertemperatur Brennstoffzelle (PEM) betreiben, wie sie auch in PKW und LKW eingesetzt werden. „Sie haben eine hohe Leistungsdichte, sind flexibel einsetzbar und sehr langlebig, wenn sie mit reinem Wasserstoff betrieben werden“, sagt Wartmann. Dann entstünden überhaupt keine Stickoxide mehr.

Eine dritte Möglichkeit sind Hochtemperatur-Brennstoffzellen (SOFC). Auch sie haben einen sehr hohen elektrischen Wirkungsgrad, könnten aber mit reinem Ammoniak betrieben werden, ohne die Gefahr, dass Lachgas oder NOX entstehen, sagt Wartmann.

Das Einsatzgebiet sieht Wartmann eher in der Erzeugung von Grundlaststrom. In der Seefahrt könnten sie also auf Kreuzfahrtschiffen eingesetzt werden, die selbst im Hafen liegend noch viel Strom benötigen, oder in Massengutfrachtern, die nur kurze Liegezeiten haben, bevor sie erneut für längere Zeit in See stechen. Als erstes Schiff weltweit will das Forschungskonsortium ShipFC das Versorgungsschiff Viking Energy der norwegischen Eidesvik mit einem solchen Ammoniak-Antrieb ausstatten. Auch die japanische Reederei NYK arbeitet nach Unternehmensangaben darauf hin, Ammoniak als Schiffstreibstoff einzusetzen.

Warum nicht gleich Wasserstoff?

NYK will aber auch kommerzielle Ammoniaktanker betreiben. Denn viele sehen in Ammoniak nicht nur einen alternativen Schiffstreibstoff, sondern auch die günstigere Möglichkeit, Wasserstoff über längere Zeit zu lagern und über größere Strecken zu transportieren. Einer von ihnen ist Wartmanns Kollege am Duisburger Lehrstuhl Energietechnik, Florian Nigbur: „Wir sehen Ammoniak nicht als Konkurrenten von Wasserstoff, sondern als energieeffizienten Wasserstoffspeicher.“ Ammoniak lässt sich besser und kostengünstiger per Schiff transportieren als Wasserstoff selbst.

Rund 92 Prozent der Energie, die bei der Herstellung von grünem Ammoniak benötigt werden, entfallen allein auf die Gewinnung des Wasserstoffs durch Elektrolyse. Lediglich acht Prozent der Energie werden für die Weiterverarbeitung zu Ammoniak benötigt. Diesen energetischen Nachteil macht das Ammoniak laut Nigbur allerdings schnell wieder wett, wenn es ans Speichern geht. Das nämlich ist beim Wasserstoff wesentlich energieaufwändiger. Außerdem verlieren Flüssigwasserstofftanks pro Tag bis zu drei Prozent der gespeicherten Energie durch Verdampfung.

„Je länger Transportwege und Speicherzeit sind, desto mehr lohnt es sich also, Wasserstoff in Ammoniak zu binden“, erklärt Nigbur. Kein Wunder also, dass sich mehrere Wüstenstaaten für die Ammoniak-Technologien interessieren, um aus Sonnenenergie erzeugten Wasserstoff zu exportieren.

Ersparnis beim Speichern

Ammoniak wird bei einer Temperatur von -33 Grad Celsius oder einem Druck von acht Bar bei Raumtemperatur flüssig. So lässt er sich – unter geringem Energieaufwand – sicher und verlustfrei in Metalltanks oder Pipelines transportieren.

Wasserstoff verflüssigt sich erst bei -253 Grad Celsius. Allein dafür ist ein Energieaufwand nötig, der 25 bis 40 Prozent der Energie entspricht, die in der verflüssigten Menge Wasserstoff gespeichert ist. Hinzu kommen sogenannte Boil-Off-Verlusten von bis zu drei Prozent pro Tag.

Höhere Energiedichte

Alternativ kann verdichtet werden. Zur Anwendung in Fahrzeugen ist ein Druck von 700 Bar üblich. Doch dann kommt ein weiterer Nachteil des reinen Wasserstoffs noch deutlicher zum Tragen: Flüssiger Wasserstoff enthält pro Liter (l) 2,4 Kilowattstunden (kWh) Energie. Bei 700 Bar liegt die Energiedichte bei 1,3 kW/l. Dies ist nur rund ein Zehntel dessen, was in fossilen Brennstoffen steckt. Flüssiger Ammoniak enthält immerhin 3,3 kWh/l.

Für den Transport bedeutet das: Sind für eine bestimmte Menge H2 vier Tankschiffe nötig, wären für dieselbe Menge Wasserstoff gebunden in Ammoniak nur drei Schiffe mit demselben Speichervolumen nötig.

Ammoniak ist zwar wegen des Stickstoffs bedeutend schwerer als reiner Wasserstoff, dafür ist die Speichertechnologie wesentlich einfacher. „Dies fällt aber buchstäblich nicht so stark ins Gewicht, weil die komplizierte Technik von Wasserstoffschiffen erstens auch einiges wiegt und die Schiffe zweitens mehr als viermal so teuer macht als Ammoniaktanker“, sagt Jens Wartmann.

Kontrollierbare Gefahren

Ganz ungefährlich sind beide Gase nicht: Wasserstoff kann explodieren, Ammoniak ist giftig. Dies könnte zum Beispiel beim Bau von Pipelines relevant für die Akzeptanz in der Bevölkerung sein. Allerdings ist man sich der Gefahren sehr bewusst und sie gelten als gut handhabbar. Die Erfahrung im Umgang mit Ammoniak ist sehr groß: Mit einer weltweiten Jahresproduktion von rund 200 Millionen Tonnen ist das Gas mit dem stechenden Geruch – nach Schwefelsäure – schon heute die meistproduzierte Chemikalie überhaupt. Bisher wird sie hauptsächlich als Stickstofflieferant für Düngemittel hergestellt.

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