Deutsche Forschende haben eine Möglichkeit entdeckt, aus Abwasserhandlung mithilfe von Mikroorganismen Wasserstoff und Methan zu gewinnen
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Wasserstoff und Methan aus Abwasser
Ein deutsches Forschungsteam gewinnt in einer Versuchsanlage Energie aus hochbelastetem Industrieabwasser

„Je stärker das Abwasser belastet ist, umso besser“, findet Juliana Rolf. Seit Anfang des Jahres füttert die Forscherin der FH Münster die Mikroorganismen in ihrer Versuchsanlage auf dem Campus Steinfurt mit dem kohlenhydrat- und zuckerreichen Abwasser einer Brauerei. „Wenn diese Mikroorganismen die organischen Substanzen verstoffwechseln, entstehen hauptsächlich drei Stoffe: Wasserstoff, Methan und Kohlendioxid“, erklärt Rolf im Gespräch mit dem en:former. „Durch verschiedene Parameter können wir die Zusammensetzung beeinflussen.“

Zwei Schritte zur Abwasserbehandlung

In dem Projekt „HyTech“ untersucht das Forschungsteam, dem Rolf angehört, wie der Abbau der organischen Bestandteile im Abwasser so gestaltet werden kann, dass möglichst viel Wasserstoff und Methan entstehen. Dafür durchfließt das Abwasser nacheinander zwei Reaktoren.

Im ersten Reaktor findet „dunkle Fermentation“ statt, also der bakterielle Abbau unter Ausschluss von Licht und Sauerstoff. Dabei entsteht ein Gasgemisch, das fast ausschließlich aus H2 und CO2 besteht.

Danach wird das Abwasser im zweiten Reaktor an sogenannte Archaeen „verfüttert“. Diese urzeitlichen Mikroorganismen haben über Millionenjahre organische Überreste von Pflanzen und Tieren zu fossilem Erdgas zersetzt. Und genauso erzeugen sie auch bei der Abwasserbehandlung vor allem Methan und Kohlendioxid.

Positive Energiebilanz optimieren

„Aus den so entstandenen Gasgemischen lassen sich dann die relevanten Bestandteile abscheiden“, erklärt Rolf. Energetisch genutzt werden sie im Rahmen des Versuchs nicht, dafür sind die anfallenden Mengen zu gering. Aber sie werden genau analysiert.

Auch das anfallende Kohlenstoffdioxid wird in der Forschungsanlage nicht weiterverwendet. Im industriellen Maßstab könnte das entstandene CO2 allerdings entsprechend aufbereitet werden – aus Klimaschutzgründen. Mit modernen CCS- (Carbon Capture and Storage) oder CCUS-Technologien (Carbon Capture Use and Storage) könnte das Klimagas entweder abgeschieden und gespeichert oder für andere Anwendungen genutzt werden.

Durch das Pilotprojekt konnte das Forschungsteam bereits zeigen, dass das Verfahren Potenzial hat. In dem Vorgängerprojekt „BioTech2“, gefördert durch den EU-finanzierten Regionalentwicklungsfonds „Interreg VA“, nutzte die Forschergruppe das Abwasser eines Süßwarenherstellers in einer ähnlich aufgebauten Versuchsanlage. Das Ergebnis: Aus den 350.000 Kubikmetern Abwasser, die in dem Unternehmen jährlich anfallen, ließen sich 262.000 Kubikmeter Wasserstoff und 1,75 Millionen Kubikmeter Methan gewinnen.

In diesem speziellen Fall würde eine entsprechend skalierte Anlage für den Prozess zwar mehr als 600 Kilowatt, vor allem Wärmeenergie, benötigen. Unterm Strich ergäbe sich aber eine Nettoerzeugung von mehr als 500 Kilowatt.

Business-Case: Abwasserbehandlung

Die Gewinnung der Energieträger Wasserstoff und Methan sei ein zentrales Argument unter dem Aspekt von Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, erklärt Rolf. Das allein würde jedoch vermutlich nicht reichen, damit sich eine solche Anlage in einem angemessenen Zeitraum amortisiert. „Für potenzielle Anwender geht es in erster Linie darum, die Abwasserfrachten zu reduzieren“, sagt die Ingenieurin.

Die Abwasserbehandlung ist für Industriebetriebe ein erheblicher Kostenpunkt. Oftmals hängt sogar die Standortwahl davon ab, ob überhaupt ein Klärwerk mit entsprechenden Kapazitäten verfügbar ist. Ohne dies müssen Betriebe stark kontaminiertes Abwasser selbst vorklären. Die „HyTech“-Technologie, ist sich Rolf sicher, könnten die Kosten der Abwasserentsorgung erheblich senken.

Über die Hälfte des Weges geschafft

Dank einer Anschlussförderung aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz kann das Forschungsteam nun im Rahmen von „HyTech“ die „BioTech2“-Verfahren optimieren. Dafür wurden verschiedene Parameter verändert, etwa die Bauart der Fermentationsbehälter. Auch wollen Rolf und das Team ausprobieren, bei welcher Kombination von Zulaufmenge, Zirkulationsgeschwindigkeit und Temperaturbereich der Prozess am effizientesten abläuft.

Bis zum Bau einer einsatzfähigen Anlage, sagt Rolf, dürften noch vier bis fünf Jahre Forschungsarbeit zu leisten sein. Auf der TRL-Skala, die die US-Raumfahrtbehörde NASA entwickelt hat, um den Entwicklungsstand von technischen Innovationen zu bestimmen, liegt die Technologie bei etwa 5,5 von 10. Ob sie dann auch marktfähig sein wird, werde vor allem von anderen Faktoren wie den Preisen von Wasserstoff, Methan und Abwasserbehandlung abhängen, erläutert die Forscherin. Doch sie ist optimistisch: „Unser Ziel ist, dass die organische Gewinnung von Wasserstoff und Methan zu einem festen Bestandteil der Abwasserbehandlung wird.“

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