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Neues Wasserkraftwerk ist besonders fischfreundlich
Treppen, Bypässe, Turbinenschächte – weltweit erstes Schachtkraftwerk ist im bayerischen Fluss Loisach installiert

Wasserkraftwerke haben 2019 in Deutschland 20 Terawattstunden Strom erzeugt, das entspricht rund 3,5 Prozent der Bruttostromerzeugung. Die Wasserkraft ist die älteste Form der Stromgewinnung aus regenerativen Quellen und das Prinzip denkbar einfach: In Seen oder an Mauern, sogenannten Wehren, wird Wasser gestaut und von da aus durch ein Maschinenhaus geleitet. Dort treibt es mit seiner Bewegungsenergie eine Turbine an, die Strom erzeugt.

Allerdings wird durch die Kraftwerke in den natürlichen Verlauf des Flusses eingegriffen. Sie unterbrechen zum Beispiel die Routen von Wanderfischen wie Lachsen oder Aalen, die zum Laichen flussauf- beziehungsweise -abwärts schwimmen. Schon heute sind viele Flusskraftwerke deshalb mit Fischtreppen oder Bypässen ausgerüstet, die es Fischen ermöglichen, die Anlage zu passieren.

Forscher der Technischen Universität München (TUM) arbeiten derzeit an einem anderen Ansatz: Ein Team des Lehrstuhls für Wasserbau und Wasserwirtschaft rund um Projektleiter Prof. Peter Rutschmann hat ein Wasserkraftwerk entwickelt, das ins Flussbett eingebaut werden kann. Fische können das sogenannte Schachtkraftwerk ohne Gefahr in beide Richtungen queren und das Ufer und der Flusslauf behalten ihre natürliche Beschaffenheit.

Für den neuen Kraftwerkstyp wird vor einem Wehr ein Schacht ins Flussbett gebaut, in dem Turbine und Generator untergebracht sind. Das Wasser fließt in den Schacht und treibt dabei die Turbine an. Nur ein kleiner Teil strömt darüber hinweg. Durch Öffnungen im Wehr können Fische ganz einfach flussabwärts wandern. Den Höhenunterschied überwinden sie ohne Schwierigkeiten. Flussaufwärts gelangen sie über eine Fischtreppe.

So funktioniert das Schachtkraftwerk

Schachtkraftwerk

Das Wasserkraftwerk, das Forscher der TUM entwickelt haben, erzeugt Strom und ist dabei besonders fischfreundlich. Entdecken Sie die Funktionen, indem Sie auf die Nummern klicken.

Gitter

Der sogenannte Rechen liegt beim Schachtkraftwerk horizontal über der Turbine und verhindert, dass diese durch Geröll beschädigt wird.

Tauchturbine

Die Turbine im Flussbett erzeugt mit der Bewegungsenergie des Wassers Strom.

Saugschlauch

Über den Saugschlauch wird das Wasser zurück in den Fluss geleitet.

Höhenverstellbarer Verschluss

Die Höhe des Verschlusses kann variiert werden, um Geröll und Hochwasser abzulassen.

Überströmung

Über den Verschluss strömt Wasser. So bilden sich keine Verwirbelungen und Fische können einfach darüber hinwegschwimmen.

Öffnung für Fischabstieg

Über eigene Öffnungen können Fische des Kraftwerk problemlos passieren.

Bau in einem Schutzgebiet

„Man hört und sieht nichts von dem Schachtkraftwerk. Es ist so schonend, dass wir sogar eine Baugenehmigung in einem Natura-2000-Gebiet, einem Schutzgebiet zur Erhaltung gefährdeter Lebensräume, bekommen haben“, sagt der Wissenschaftler, der auch in der an die TUM angeschlossenen wasserbaulichen Versuchsanstalt in Obernach forscht. Schwerpunktbereiche sind unter anderem Wasserkraft und Hochwasserschutz.

Im Februar ist in der bayerischen Loisach ein Prototyp des Schachtkraftwerks in Betrieb genommen worden. Dieser hat damit auch gezeigt, dass die Technologie selbst in einem alpinen Fluss mit starken Strömungen und viel Geschiebe funktioniert.

„Das kritischste Element am Schachtkraftwerk ist der Rechen“, erklärt der Forscher. Dieser Rost liegt beim Schachtkraftwerk horizontal über der Turbine im Flussbett. Er fungiert wie eine Art Filter, der verhindert, dass diese durch Geröll beschädigt wird. Das Stabprofil ist y-förmig, wird also nach unten schmaler. Die Abstände zwischen den Gitterstäben betragen 15 Millimeter. Alles, was größer ist, wird darüber hinweggespült. Die Firma Muhr aus Rosenheim, die sich auf mechanische Verfahrenstechnik für Wasserkraftwerke spezialisiert hat, hat den Rechen gebaut.

Fische schwimmen über Rechen hinweg

Und der innovative Rechen kann noch mehr: Bei herkömmlichen Flusskraftwerken verhindern vertikale Gitter, dass Fische, aber auch Äste und Steine in die Turbine gelangen. Vor ihnen entsteht oft ein starker Sog. Gerade kleinere Tiere haben dann Schwierigkeiten, sich daraus wieder zu befreien. Anders sieht es bei dem Schachtkraftwerk aus. Hier fließt das Wasser ohne Verwirbelungen gleichmäßig mit einer Geschwindigkeit von 0,3 Meter pro Sekunde in den Schacht hinein. Rutschmann sagt: „Mit so einem flachen Rechen kommen die Fische ganz einfach klar. Sie müssen nur ihre Schwimmhöhe ohne großen Kraftaufwand leicht variieren, um nicht zwischen die Stäbe zu kommen.“

Der Professor ist überzeugt, dass die Technologie sich nicht nur wegen ihrer Vorteile im Fischschutz für andere Standorte ebenfalls eignet. „Wir können Schachtkraftwerke auch an bestehenden Wehren bauen und können diese so erhalten“, sagt er. Schon bald soll mit dem Bau eines Kraftwerks bei Bad Reichenhall begonnen werden. Das Besondere: An dem Standort gibt es bereits eine historische Staumauer, die unter Denkmalschutz steht. Ein herkömmliches Flusskraftwerk würde dort nicht genehmigt, da das Wehr zu stark verändern würde.

Mit einer Leistung von 450 Kilowatt (KW) gehört das Schachtkraftwerk in der Loisach zu den Kleinkraftwerken. Rutschmann ist aber optimistisch, künftig Kraftwerke in deutlich größeren Dimensionen zu bauen: „Das ist eine Technik ähnlich der Windkraft. Die Anlagen werden immer größer werden“, sagt er. Außerdem werde der Bau in Zukunft günstiger. Bei aktuellen Projekten dienen Spundwände nicht nur der Wasserhaltung, sondern bilden gleichzeitig den Schacht oder es wird an Vorfabrikation gedacht. Das vereinfacht die Installation der Turbine erheblich und senkt so die Baukosten.

Pilotprojekt in NRW

Auch an bereits bestehenden Wasserkraftwerken gibt es zahlreiche Projekte zum Fischschutz. In einem Pilotprojekt hat das Land Nordrhein-Westfalen das Wasserkraftwerk Unkelmühle an der Sieg zusammen mit dem Betreiber RWE) fischfreundlich umgebaut. Die 420-KW-Anlage ist seit 1923 in Betrieb. In dem Projekt wurde dort ein größerer, sehr flacher Rechen mit Stababständen von nur zehn Millimetern eingebaut. Das Wasser strömt nun mit maximal 0,5 Metern pro Sekunde durch den Rechen, sodass auch Jungfische den Bereich aus eigener Kraft wieder verlassen können. Durch die geringen Abstände können sie außerdem nicht mehr in die Turbine geraten.

Im Rahmen des Projekts beobachteten Experten die Fischwanderung in der Sieg genau. Das Ergebnis: Über 95 Prozent der jungen Lachse und bis zu 100 Prozent der Aale passierten das Kraftwerk erfolgreich. Dessen Energieerzeugung sank durch die Einbauten um acht bis 14 Prozent.

Aale aus der Mosel fischen

An zehn Wasserkraftwerken in der Mosel zwischen Koblenz und Trier in Rheinland-Pfalz verfolgen das Landesumweltamt, die Genehmigungsbehörde SGD Nord und Betreiber RWE seit 1995 eine andere Strategie. Im Rahmen der Aalschutz-Initiative fischen Berufsfischer Blankaale, also erwachsene Aale, mit Reusen aus der Mosel und setzen sie unterhalb von Koblenz im Rhein wieder aus. So können die Tiere ihre Reise zum Laichgebiet in der Sargassosee in der Karibik weitgehend ungehindert von weiteren Wasserkraftanlagen fortsetzen. Bis zu 15.000 der Fische retten die Fischer so jedes Jahr vor den Turbinen. Eine ähnliche Kooperation zum Aalschutz hat RWE in 2016 im Saarland mit dem Umweltministerium sowie dem Fischereiverband Saar geschlossen. Parallel dazu erforschen Wissenschaftler, durch welche Maßnahmen sie die Aalwanderung noch unterstützen können.

Bildnachweis: ©Frank Brecht / TUM

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