Wasserstoff hat sich schnell zu einem Schlüsselelement der Energiewende entwickelt, das zügig die Marktreife erreichen muss. Und zwar sowohl mit Blick auf das Klima als auch im Vergleich zu der normalen Geschwindigkeit, mit der neue Technologien in der Vergangenheit entwickelt und eingesetzt wurden. Der Schwerpunkt bei der Produktion soll dabei auf grünem Wasserstoff liegen. Dieser wird mit Hilfe von Elektrizität durch Aufspaltung von Wasser in einem Elektrolyseur erzeugt. In herkömmlichen Anwendungen im Transportsektor wird er in eine Brennstoffzelle eingespeist, die den Prozess der Elektrolyse umkehrt, um Strom zu erzeugen und einen Elektromotor zu betreiben. Der britische Lkw-Hersteller JCB hat indes eine andere, potenziell einfachere Idee (Link auf Englisch) entwickelt. Sie könnte schneller umgesetzt werden als die anspruchsvolle Anwendung von Elektrobatterien für schwere Fahrzeuge oder die Entwicklung erschwinglicher Brennstoffzellen im kommerziellen Maßstab.
JCB hat seine langjährige Erfahrung genutzt und einen wasserstoffbetrieben Kolbenmotor entwickelt und vorgestellt. Bei der Herstellung könnten bestehende Lieferketten genutzt werden. So könnte die Produktion schon in wenigen Jahren und im Vergleich zu den Alternativen relativ geringen Kosten anlaufen.
Der Motor basiert auf dem Dieselmax 448-Vierzylindermotor des Unternehmens und ist zunächst für die schweren Geländefahrzeuge von JCB ausgelegt. Zu den wesentlichen Modifikationen gehört zum Beispiel ein neues Ansaugsystem. Da Wasserstoff kohlenstofffrei ist, werden bei der Verbrennung keine Treibhausgase ausgestoßen. Und selbst die Rohabgase des Versuchsmotors haben weniger Stickoxide als der leistungsstärkste Dieselmotor, so JCB. Durch den zusätzlichen Einsatz von Technologien zur Abgasbehandlung könne der Motor sogar eine „Nullbelastung“ erreichen. Gleichzeitig befasst sich das Unternehmen mit Wasserstoff-Brennstoffzellen. Im vergangenen Jahr kündigte es die Entwicklung seines ersten Baggers mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb an.
Die jüngste Initiative von JCB verdeutlicht die Möglichkeiten der direkten Wasserstoffverbrennung auch in anderen Bereichen, zum Beispiel in der Luft- und Schifffahrt sowie bei der Stromerzeugung. Könnten die effizientesten Erdgasturbinen also auch mit Wasserstoff betrieben werden? Der unabhängige Stromversorger eRex (Link auf Englisch) will genau das testen. Im April 2021 begann er mit dem Bau des ersten kommerziellen Wasserstoffkraftwerks in Japan. Der Wasserstoffmotor wird synthetisches Gas verwenden, das zum Großteil aus grünem Wasserstoff besteht, und ans Stromnetz angeschlossen ist. Mit 360 Kilowatt (kW) ist das Kraftwerk noch recht klein, der nächste Schritt soll aber schon ein 50-100-Megawatt-Kraftwerk sein.
Große Turbinenhersteller gehen ebenfalls davon aus, dass ihre Gasturbinen auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Sie verweisen auf bestehende Erfahrungen bei der Verwendung von Brennstoffen mit oft hohem Wasserstoffgehalt, wie synthetischem Gas, Stahlwerksgasen und Raffinerieabgasen.
GE sagt zum Beispiel, dass Gasturbinen von Natur aus brennstoffflexibel seien und so konfiguriert werden könnten, dass sie mit Wasserstoff oder ähnlichen Brennstoffen betrieben werden könnten. Das funktioniere bei neuen Einheiten und auch bei welchen, die ursprünglich für den Einsatz von Erdgas ausgelegt waren. Entscheidend sei die anfängliche Konstruktion der Turbine und die Zusatzausrüstung.
Ein Bereich mit einem enormen Potenzial: In seinem Bericht „Hydrogen for Power Generation“ (Link auf Englisch) stellt GE fest, dass weltweit Gasturbinen mit einer Kapazität von 1,6 Terrawatt (TW) installiert sind. Das macht etwa 22 Prozent der globalen Stromerzeugung aus. Die Möglichkeit, Motoren mit kohlenstoffarmen Brennstoffen wie Wasserstoff, synthetischem Methan, Biokraftstoffen oder Ammoniak anstelle von Erdgas zu speisen, bedeutet außerdem mehr Flexibilität: Der Bau von Gasturbinen bindet Länder oder Unternehmen nun nicht mehr zwangsläufig an eine Zukunft mit fossilen Brennstoffen.
Bereits heute können die MNQC- und Ein-Düsen-Brenner von GE mit Wasserstoffanteilen von bis zu 90 bis 100 Volumenprozent betrieben werden. Und auch bei 90 Prozent ist der restliche Bestandteil des Brennstoffs nicht mehr Erdgas, sondern Inertgase wie Stickstoff und Wasserdampf. Bei diesen Turbinen handelt es sich jedoch um Spezialturbinen. Das Unternehmen sagt, dass seine größten Grundlast-Gasturbinen zur Stromerzeugung zurzeit bis zu 50 Prozent Wasserstoff verwenden könnten. Bis 2030 würden 100 Prozent möglich.
Sowohl JCB als auch GE weisen darauf hin, dass mit Hilfe bestehender Technologien wie Gasturbinen und Verbrennungsmotoren und durch den Einsatz von Wasserstoff und anderen kohlenstoffarmen Gasen die Stromerzeugung und der Transportsektor viel früher als erwartet emissionsfrei werden könnten. Bei neueren Technologien hingegen wird noch etwas Zeit vergehen, bevor die Kosten sinken, die Produktion hochgefahren wird und sie eine breite gesellschaftliche Akzeptanz erreichen.
Das zeigt auch die Vergangenheit: Energieumstellungen, zum Beispiel von Kohle auf Öl im Verkehr, haben bis zu 100 Jahre gedauert. Und obwohl die technologische Akzeptanz gestiegen ist, wird der Aufbau eines wasserstoffbasierten Energiesystems nicht dasselbe sein wie die Einführung eines intelligenten neuen Verbraucherprodukts wie eines Mobiltelefons. Wenn es um den Klimawandel geht, ist Schnelligkeit aber von entscheidender Bedeutung. Es sei daher sinnvoll, vorhandenes Wissen, Expertise und Infrastruktur zu nutzen, argumentieren die Unternehmen.
Wie der Wasserstoff genutzt wird, ist jedoch nur ein Teil des Problems. Ein anderes ist die Beschaffung. Mit einer neuen Technik zur Wasserstoffgewinnung aus Wasser, die von dem in Tokio ansässigen Start-up-Unternehmen Hydrogen Technologies entwickelt wurde, gibt eRex einen Preis von etwa 7,25 Dollar für ein Kilogramm des Brennstoffs an. Das Unternehmen ist sich darüber im Klaren, dass die Kosten für die Produktion von grünem Wasserstoff sinken müssen – nur dann ist eine breite Akzeptanz möglich. Das ist wahrscheinlich nur mit der Massenproduktion von kohlenstoffarmem Wasserstoff möglich. Und dies wiederum setzt den groß angelegten Bau von Erneuerbaren Erzeugungskapazitäten voraus. Dazu gehören Solar- und Windenergie, Elektrolyseure sowie möglicherweise andere, weniger gut etablierte Technologien wie die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung.
Nichtsdestotrotz zeigen Unternehmen wie JCB und GE, dass man nicht immer über den Tellerrand hinausschauen muss, wenn man vor einer schwierigen Herausforderung steht. Manchmal können auch bekannte Wege zu durchaus neuen, bisher unentdeckten Zielen führen und in relativ kurzer Zeit Lösungen bieten.