Die USA haben fünf neue Windenergiegebiete von erheblicher Größe ausgewiesen: Auf dieser potenziell neuen Pachtfläche könnten Offshore-Windparks mit einer Gesamtleistung von insgesamt 9,8 Gigawatt entstehen. Damit vergrößert sich die bereits riesige Pipeline an Offshore-Projekten in den Vereinigten Staaten noch weiter. Und während sich die Pipeline füllt, sind die ersten Projekte bereit für den Bau.
Einen wichtigen Schritt stellte die Genehmigung für das 132 Megawatt (MW) Projekt South-Fork vor Rhode Island im November dar. Diese folgte auf die Genehmigung des 800-MW-Parks Vineyard Wind I, die im Mai erteilt wurde. Die Bauphase von South Fork könnte bereits Anfang nächsten Jahres beginnen. Angesichts seiner im Vergleich eher geringen Größe könnte das Projekt durchaus das erste sein, das in einer neuen Ära des US-Windsektors ans Netz geht. Diese neue Ära wird voraussichtlich große Auswirkungen auf die US-Strommärkte und damit auch auf die Umsetzung der Klimaziele des Landes haben.
Obwohl die USA nach der VR China über die zweitmeisten Onshore-Windräder weltweit verfügt, befinden sie sich im Offshore-Bereich mit einer installierten Leistung von gerade einmal 42 MW erheblich im Rückstand. Doch auch aus einem bescheidenen Anfang können bekanntlich große Entwicklungsmöglichkeiten entstehen. Diese versprechen nun die Schaffung eines neuen Multi-Milliarden-Dollar-Sektors mit vielen Arbeitsplätzen für Amerikas grüne Wirtschaft. Dieser könnte irgendwann sogar die erfolgreiche Offshore-Windbranche in Europa überholen.
Die Bundesstaaten an der windigen Ostküste des Landes haben die ambitioniertesten Offshore-Ausbaupläne innerhalb der USA. Im Jahr 2019 lagen ihre Zielmarke bei beeindruckenden 23.698 MW Offshore-Kapazität, die bis 2035 entstehen soll. In diesem Jahr wurden die Ziele weiter erhöht, auf 39.298 MW bis 2040, wie aus dem Offshore-Windbericht des US-Energieministeriums hervorgeht.
New York strebt 9 Gigawatt (GW) Offshore-Windkapazität bis 2035 an, Virgina 5,2 GW bis 2034, Massachusetts 5,6 GW bis 2035 und North Carolina 2,8 GW bis 2030 und 8 GW bis 2040. Damit ist die Ostküste führend, da dort große Bevölkerungszentren für eine große Stromnachfrage sorgen. Außerdem besitzen die Oststaaten hervorragende Windressourcen und der Meeresboden ist für konventionelle Windturbinen mit fest installierten Fundamenten geeignet.
Die meisten Offshore-Projekte befinden sich in Bundesgewässern, die mehr als drei Meilen (ca. 4,8 Kilometer) vor der Küste liegen, wodurch eine Genehmigung auf Bundesebene erforderlich ist. Dabei war die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, bis zum Jahr 2030 Offshore-Windkapazitäten von 30 GW aufbauen zu wollen, für die Branche ein wegweisender Schritt. Dadurch machte die Regierung ihre Unterstützung des Sektors auf Bundes- und Staatenebene sowie eine Ausweitung von Flächen für die Entwicklung der Offshore-Windenergie in Bundesgewässern deutlich. Darauf folgte die Einrichtung von fünf neuen Windenergiegebieten in der New Yorker Bucht, einem dreieckigen Gebiet vor den Küsten von New York und New Jersey mit einer durchschnittlichen Wassertiefe von etwa 47 Metern.
Nach dem US-amerikanischen System können Erschließungsunternehmen unaufgefordert Pachtanträge stellen. Interessieren sich jedoch mehrere Unternehmen für ein Gebiet, kommt es zu einem wettbewerbsorientierten Verfahren. Es wird erwartet, dass das Büro für Meeresverwaltung (Bureau of Ocean Management, BOEM) die neuen Gebiete – nach öffentlichen Beratungen – zur Versteigerung ausschreiben wird.
Inzwischen gibt es neun aktive „Call-Areas“ für Offshore-Windanlagen. Diese sind Vorläufer für die Einrichtung von Windenergiegebieten und geben damit einen Hinweis darauf, wo sich die Offshore-Windenergie in Zukunft abseits der Ostküste entwickeln könnte. Zwei dieser „Call-Areas“ liegen vor Hawaii und drei weitere vor der kalifornischen Küste. Auch vor der Golfküste hat bereits die Arbeit an Regulierungen begonnen, so dass eine Ausschreibung bereits Ende 2022 möglich sein könnte.
Jede der US-Küsten birgt andere Herausforderungen, aber sie haben alle genug Potenzial, um einen eigenen großen Offshore-Windmarkt zu entwickeln. Kurz zusammengefasst: An der Golfküste ist die Gefahr von Hurrikanen am größten, und die Windgeschwindigkeit ist allgemein niedriger als an der Ostküste. An der Westküste fällt der Meeresboden steil ab, die Entwicklung dort konzentriert sich daher auf schwimmende Windräder.
Eine Studie des BOEM aus dem Jahr 2020 (Link auf Englisch) errechnet die technischen Ressourcen an der Golfküste auf 508 GW. Davon liegt etwa die Hälfte in Wassertiefen von weniger als 60 Metern. Das Potenzial in Kalifornien wird vom National Renewable Energy Laboratory (NREL) (Link auf Englisch) auf 192-201 GW geschätzt.
Das BOEM bemüht sich um eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, die sich in den etablierten europäischen Märkten als ein großes Hindernis für eine beschleunigte Entwicklung erwiesen haben. Für Projekte mit einer Gesamtleistung von 10.779 MW sind bereits Genehmigungsverfahren im Gange. Das BOEM hat sich zum Ziel gesetzt, die Genehmigungsverfahren für weitere 15 Offshore-Projekte bis 2025 abzuschließen.
Sie kündigten im Juni außerdem eine Kooperationsvereinbarung mit dem US Army Corps of Engineers (Link in Englisch) an, infolgedessen Offshore-Windenergiegebieten schneller ausgewiesen und geplante Windparks schneller genehmigt werden sollen.
Neben der Genehmigung ist der Abschluss einer Verkaufsvereinbarung für den produzierten Strom – ein sogenannter Abnahmevertrag – ein entscheidender Teil des Entwicklungsprozesses. Dadurch ist es den Entwicklern möglich, Finanzmittel zu beschaffen und das Projekt zu einer endgültigen Investitionsentscheidung (Final Investment Decision, FID) zu bringen.
Bis Mitte 2021 wurden 17 Abnahmevereinbarungen unterzeichnet, drei befanden sich in Verhandlung. Einschließlich die der beiden bereits in Betrieb befindlichen kleineren Windparks decken sie eine Kapazität von 8.971 MW ab.
Obwohl die Einzelheiten einiger Abnahmeverträge vertraulich sind, zeigen veröffentlichte Vereinbarungen einen klaren, starken Abwärtstrend bei den Kosten der Offshore-Windenergie. Dies deutet darauf hin, dass die Kostenreduzierungen, die auf den europäischen Märkten erreicht wurden, schnell auch auf dem aufstrebenden US-Sektor ankommen.
Die Zunahme der Abnahmeverträge bringt jedoch eine weitere Herausforderung mit sich: die Suche nach geeigneten Netzkopplungspunkten. Obwohl andere Möglichkeiten noch geprüft werden, müssen Entwickler momentan eigene Stromleitungen von den Offshore-Parks hin zu einem Onshore-Verbindungspunkt einplanen. Damit reihen sie sich in die Warteschlange für Küsten-Verbindungspunkte ein, die mit der Inbetriebnahme der Projekte knapp werden könnten.
Zusätzlich zu den Kapazitäten, die sich bisher noch in der Genehmigungsphase befinden, haben Entwickler schon für weitere 11.652 MW Rechte an Pachtgebieten erworben und weitere 12.051 MW für nicht gepachtete Windenergiegebiete. Dadurch ist eine Pipeline von über 35 GW entstanden, die tausende Gigawattstunden grünen Strom in die Haushalte der USA bringen soll. Die Offshore Windenergie wird so einen großen Beitrag zum Erreichen der die Klimaschutzziele leisten.