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Prognosen und Szenarien zur weltweiten Energieversorgung
Erster Teil einer Gastbeitrag-Serie von H.-W. Schiffer: Die Entwicklung der weltweiten Energieversorgung

In einem Gastbeitrag erörtert Dr. Hans-Wilhelm Schiffer die Charakteristika von Prognosen und Szenarien der Energiewende in unterschiedlichen Studien. Dabei ordnet er die von den genannten Institutionen verfolgten Ansätze kritisch ein. Ursprünglich erschien der Artikel 2021 unter dem Titel „Prognosen und Szenarien zur weltweiten Energieversorgung als Grundlage für klimapolitische Implikationen“ im Magazin World of Mining. Dies ist der erste Teil der Beitragsreihe.

Verschiedene Institutionen veröffentlichen regelmäßig Studien zu den Perspektiven der weltweiten Energieversorgung. Dazu gehören internationale Organisationen, wie die Internationale Energie-Agentur (IEA), die International Renewable Energy Agency (IRENA) und der World Energy Council (WEC), Beratungsunternehmen, wie DNV, BloombergNEF und McKinsey & Company, sowie Energiekonzerne, wie BP, Shell und Equinor.

Zum Autor

Prof. Dr. rer. pol. Hans-Wilhelm Schiffer

Lehrbeauftragter der RWTH Aachen, Mitglied im Studies Committee, World Energy Council, London und Vorsitzender der Redaktionsgruppe Energie für Deutschland beim Weltenergierat – Deutschland, Berlin

Um diese miteinander vergleichen zu können und Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszustellen, sind die jeweils zugrunde gelegten methodischen Ansätze und die getroffenen Annahmen von besonderer Relevanz. In dem vorliegenden Beitrag werden die Charakteristika von Projektionen sowie von exploratorischen und normativen Szenarien skizziert, und es erfolgt eine Einordnung der von den genannten Institutionen verfolgten Ansätze.

Die in den Studien vermittelten Schlüsselbotschaften werden vor dem Hintergrund der Entwicklung der letzten Jahrzehnte dargelegt. Eine zunehmende Elektrifizierung und eine verstärkte Nutzung von Wasserstoff werden als entscheidende Faktoren identifiziert, um die verfolgten Klimaziele zu erreichen. Abschließend wird bewertet, in welchem Maße die ausgewiesenen Ergebnisse dem Glasgow Climate Pact gerecht werden und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Entwicklung der globalen Energieversorgung von 1985 bis 2020

Einer Darstellung der Ergebnisse der Projektionen und Szenarien, in denen Aussagen über die bevorstehenden 30 Jahre getroffen werden, soll vorangestellt werden, was die wesentlichen Merkmale der globalen Entwicklung von Energieangebot und -nachfrage im Zeitraum 1985 bis 2020 waren. Zunächst zum Primärenergieverbrauch.

Von 1985 bis 2020 hat sich der globale Energieverbrauch fast verdoppelt. Wichtigste Treiber dieser Entwicklung waren der Anstieg der Bevölkerung um 60 Prozent und die Zunahme der globalen Wirtschaftsleistung um 174 Prozent. Der Energiemix hat sich innerhalb dieser 35 Jahre wie folgt verändert:

  • Der Anstieg im Energieverbrauch wurde fast vollständig durch fossile Energien gedeckt. Alle fossilen Energien haben mit wachsenden Beiträgen zur Deckung des Verbrauchs beigetragen.
  • Der Anteil fossiler Energien am Primärenergieverbrauch war 2020 nur 5,6 Prozentpunkte niedriger als 1985. 2020 entfielen 83,1 Prozent des gesamten Energieverbrauchs auf Kohle, Erdöl und Erdgas. 1985 waren es 88,7 Prozent.
  • Der Anteil von Kernenergie hat sich von 4,7 Prozent auf 4,3 Prozent verringert.
  • Der Beitrag erneuerbarer Energien konnte von 6,6 Prozent auf 12,6 Prozent fast verdoppelt werden.

Die weltweite Stromerzeugung hat sich von 1985 bis 2020 fast verdreifacht.  Auch hier zeigt sich bezüglich der Rolle der fossilen Energien ein vergleichbares Bild.

  • Der Zuwachs in der Stromerzeugung basierte ganz überwiegend auf einem deutlich vergrößerten Einsatz von Kohle und Erdgas.
  • Der Anteil fossiler Energien an der Stromerzeugung hat sich kaum verringert – von 64,1 Prozent im Jahr 1985 auf 62,2 Prozent im Jahr 2020.
  • Der relative Beitrag der Kernenergie hat sich von 15,1 Prozent auf 10,1 Prozent verringert.
  • Die erneuerbaren Energien konnten mit Anteilsgewinnen von 6,9 Prozentpunkten die relativen Einbußen von Kernenergie und fossilen Energien kompensieren. Wasserkraft, Wind- und Solarenergie sowie Biomasse und Geothermie waren 2020 mit 27,7 Prozent an der weltweiten Stromerzeugung beteiligt gegenüber 20,8 Prozent im Jahr 1985.

Die bevorstehenden Jahrzehnte werden sich grundlegend von dieser für die Vergangenheit aufgezeigten Entwicklung unterscheiden.

Kategorisierung von Projektionen und Szenarien

Grundsätzlich kann zwischen exploratorischen Szenarien, Projektionen und normativen Szenarien unterschieden werden.

Exploratorische Szenarien

Exploratorische Szenarien sind plausible, nachvollziehbare, alternative Blicke in die Zukunft, die denkbare Ergebnisse aufzeigen und zu verstehen helfen, wie verschiedene Faktoren zusammenspielen und so die Zukunft formen können. Sie adressieren kritische Unsicherheiten, aber auch absehbare Trends und weisen aus, welche Wirkungen getroffene Annahmen über die Zukunft haben. Es handelt sich nicht um Vorhersagen. Eintrittswahrscheinlichkeiten sind exploratorischen Szenarien nicht zugeordnet. Im Vordergrund steht ein Narrativ, das modellgestützt quantitativ unterlegt ist. Sie liefern eine Basis für eine erfolgreiche Strategie und Politik in einer von Unsicherheit geprägten Welt.

Projektionen

In Projektionen wird die künftige Entwicklung auf Basis von als wahrscheinlich angenommenen Parametern, unter anderem zur Entwicklung der Demografie, der Wirtschaftsleistung, zu technologischen Innovationen, zu Weltmarktpreisen für Energie und erwarteter politischer Rahmensetzung, dargelegt. Projektionen zielen also darauf, die für wahrscheinlich gehaltene Entwicklung im Sinne einer Prognose abzubilden. Dabei steht das modellgestützte Erzielen quantitativer Ergebnisse im Vordergrund.

Normative Szenarien

Einen ganz anderen Charakter haben normative Szenarien. Ausgangspunkt ist ein für die Zukunft klar definiertes Ziel oder Zielbündel. Von diesem Startpunkt aus wird ein technisch möglicher Pfad ermittelt, um das angestrebte Ziel zu ökonomisch möglichst vertretbaren Bedingungen zu erreichen. Dabei kann es sich beispielsweise um das Ziel handeln, den Anstieg der globalen Temperatur auf maximal 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Bei einem Vergleich von Ergebnissen verschiedener Studien ist entsprechend von ausschlaggebender Bedeutung, welcher Ansatz jeweils verfolgt wurde. Die Szenarien und Projektionen, die im Jahr 2021 von den eingangs genannten Institutionen vorgelegt wurden, sind den einzelnen Kategorien zugeordnet.

Ergebnisse verschiedener Projektionen im Vergleich

Projektionen zur weltweiten Energieversorgung wurden in den letzten Monaten vor allem von dem norwegischen Beratungs- und Zertifizierungskonzern DNV sowie von McKinsey veröffentlicht. Die zentralen Ergebnisse für den Zeithorizont bis 2050 stellen sich wie folgt dar:

Anders als in der Vergangenheit wird der Primärenergieverbrauch künftig praktisch nicht mehr zunehmen sondern – trotz eines weiteren Anstiegs der Bevölkerung und eines fortgesetzten Wachstums der Wirtschaftsleistung auf dem gegenwärtig erreichten Niveau verharren. Der Energieverbrauch pro Kopf der Bevölkerung sinkt somit deutlich.

Eine zweite Aussage – ebenfalls abweichend von den Trends der Vergangenheit – laut DNV: Fossile Energieträger werden zunehmend ersetzt durch erneuerbare Energien. Der Anteil von Erdöl, Erdgas und Kohle am Primärenergieverbrauch verringert sich von gegenwärtig noch mehr als 80 Prozent bis 2050 auf 50 Prozent.

Das Wachstum der erneuerbaren Energien wird vor allem von Windkraft und Solarenergie erbracht. Im Unterschied dazu können Wasserkraft, Biomasse und Geothermie nur begrenzte Zuwächse erzielen. Zu diesem Ergebnis kommen DNV, aber unter anderem auch McKinsey.

Bedeutung der fossilen Energieträger nimmt ab

Die fossilen Energien bleiben zwar auch künftig wichtig. Allerdings nimmt deren Bedeutung deutlich ab. Dies gilt vor allem für die Kohle. Der weltweite Verbrauch an Kohle, der vor allem seit dem Jahr 2000 aufgrund der zunehmenden Nutzung dieses Energieträgers insbesondere in China stark gestiegen war, hat im Jahr 2014 nach Einschätzung der meisten vorliegenden Studien seinen höchsten Stand erreicht. Peak Oil Demand wird gegen Ende der 2020er-Jahre erwartet.

Hinsichtlich der Erdgas-Nachfrage wird zunächst noch mit einem weiteren Anstieg gerechnet. Dies gilt bis hinein in die 2030er-Jahre. Laut McKinsey wird die höchste weltweite Nachfrage nach Erdgas in der zweiten Hälfte der 2030er-Jahre erreicht, bevor in der Folge ein stetiger Rückgang einsetzt.

Verdreifachung der globalen Stromnachfrage

Anders als für den Primärenergieverbrauch wird für die Nachfrage nach Strom von fortgesetztem Wachstum ausgegangen. Nach den vorliegenden Projektionen beschleunigt sich der aufwärts gerichtete Trend in den kommenden Jahrzehnten sogar noch. Dies führt bis 2050 nahezu zu einer Verdreifachung der weltweiten Stromnachfrage im Vergleich zum Stand des Jahres 2020.

Die Abkehr von fossilen Energien vollzieht sich in der Stromversorgung noch deutlich stärker als dies in den Zahlen zum Primärenergieverbrauch zum Ausdruck kommt. Im Jahr 2020 war Kohle mit einem Anteil von 35 Prozent der weltweit wichtigste Energieträger zur Stromerzeugung. Daran hat sich auch 2021 noch nichts geändert.

Um die Mitte des laufenden Jahrzehnts verdrängen die erneuerbaren Energien aber die Kohle von dieser Position. Erdgas kann seine Rolle als zweitwichtigster Energieträger zur Stromerzeugung im Wechsel mit Kohle, die in den 2030er Jahren auf den dritten Rang zurückfällt, auf absehbare Zeit noch halten.

Öl spielt in der Stromerzeugung – anders als im Verkehrssektor und im Wärmemarkt – keine signifikante Rolle. Der Beitrag der Kernenergie zur Stromerzeugung hält sich im weltweiten Durchschnitt in etwa auf dem gegenwärtigen Niveau von rund 10 Prozent. Unter den erneuerbaren Energien erzielen Wind- und Solarenergie die mit weitem Abstand größten Zuwächse.

Wasserstoff hat Schlüsselrolle inne

Eine Schlüsselrolle im Rahmen der anstehenden Transformation der Energieversorgung kommt Wasserstoff – neben einer verstärkten Elektrifizierung – zu. So wird etwa von DNV prognostiziert, dass sich die weltweite Nachfrage nach Wasserstoff bis 2050 im Vergleich zum heutigen Stand versechsfacht. Vor allem in der Industrie kommt zunehmend Wasserstoff zum Einsatz, um die erforderliche Dekarbonisierung in diesem Sektor umzusetzen. Beispiele sind die Chemie und die Stahlindustrie. Daneben wird Wasserstoff vor allem in den Bereichen des Verkehrssektors eine wachsende Bedeutung zugeschrieben, die sich nicht oder nur schwer elektrifizieren lassen. Das sind der Flugverkehr, die Schifffahrt und der Schwerlastverkehr.

Die Herstellung von Wasserstoff ist sowohl auf Basis fossiler Energien, als auch unter Einsatz von Strom aus Kernkraftwerken sowie aus erneuerbaren Energien möglich. Einen Beitrag zum Klimaschutz kann Wasserstoff allerdings nur dann leisten, wenn die Erzeugung weitestgehend CO2-frei erfolgt. Das ist mittels Elektrolyse unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien ebenso möglich wie unter Nutzung von Strom aus Kernkraftwerken.

Ein Einsatz von Erdgas oder Kohle zur Produktion von Wasserstoff ist dagegen nur dann unter Klimaschutz-Gesichtspunkten vorteilhaft, wenn in dem Prozess eine Abscheidung und Nutzung beziehungsweise Speicherung des CO2 (CCUS) erfolgt.

Klassifizierung von Wasserstoff

Nach Maßgabe des jeweils eingesetzten Energieträgers wird der Wasserstoff mit unterschiedlichen Farben klassifiziert. So steht die Farbe grau für Wasserstoff, hergestellt aus fossilen Energien ohne Abscheidung und Speicherung von CO2. Wasserstoff auf Basis Erdgas mit CCUS wird mit der Farbe blau belegt. Als grün gilt der Wasserstoff, soweit das Produkt durch Strom aus erneuerbaren Energien produziert wurde. Während gegenwärtig die Erzeugung von Wasserstoff auf Basis fossiler Energien, insbesondere Erdgas, dominiert, sollen die erwarteten Zuwächse vor allem durch Strom aus Wind- und Solaranlagen verfügbar gemacht werden.

Bildnachweis: © RWE AG, Stephane Adam

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