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Rolle von Elektrifizierung und Wasserstoff für Klimaneutralität
Dritter Teil einer Gastbeitrag-Serie von H.-W. Schiffer: Die Entwicklung der weltweiten Energieversorgung

In einem Gastbeitrag erörtert Dr. Hans-Wilhelm Schiffer die Charakteristika von Prognosen und Szenarien der Energiewende in unterschiedlichen Studien. Dabei ordnet er die von den genannten Institutionen verfolgten Ansätze kritisch ein. Ursprünglich erschien der Artikel 2021 unter dem Titel „Prognosen und Szenarien zur weltweiten Energieversorgung als Grundlage für klimapolitische Implikationen“ im Magazin World of Mining. Dies ist der dritte Teil der Beitragsreihe.

Einer verstärkten Elektrifizierung kommt eine Schlüsselrolle bei der angestrebten Einhaltung des Ziels zu, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Im Vergleich mehrerer normativer Szenarien, die dieser Vorgabe folgen, ergibt sich, dass Institutionen, wie die International Energy Agency (IEA) oder die International Renewable Energy Agency (IRENA) ebenso wie beispielsweise die Unternehmen BP und BloombergNEF von mehr als einer Verdopplung bis hin zu einer Verdreifachung der weltweiten Stromerzeugung bis 2050 im Vergleich zum Stand des Jahres 2020 ausgehen.

Zum Autor

Prof. Dr. rer. pol. Hans-Wilhelm Schiffer

Lehrbeauftragter der RWTH Aachen, Mitglied im Studies Committee, World Energy Council, London und Vorsitzender der Redaktionsgruppe Energie für Deutschland beim Weltenergierat – Deutschland, Berlin

Daneben wird eine drastische Änderung im Energiemix angezeigt. Der Anteil erneuerbarer Energien an der weltweiten Stromerzeugung erhöht sich von 28 Prozent im Jahr 2020 auf – je nach Szenario – 83 bis 95 Prozent im Jahr 2050. Die Stromerzeugung aus Wasserkraft, gegenwärtig noch die mit Abstand wichtigste erneuerbare Energiequelle, wird zwar – ebenso wie die Stromerzeugung aus Biomasse und Geothermie – künftig weiter zunehmen.

Mit dem besonders dynamischen Wachstum von Windkraft und Solarenergie können diese erneuerbaren Energien allerdings nicht mithalten. Allein auf Wind und Solar entfallen in den Zielszenarien der genannten Institutionen im Jahr 2050 rund zwei Drittel der Stromerzeugung. Zum Vergleich: 2020 waren es gerade mal 9 Prozent, mit denen Windkraft und Solarenergie an der weltweiten Stromerzeugung beteiligt waren.

Neben den erneuerbaren Energien werden der Kernenergie und auch Erdgas noch eine signifikante Rolle in der globalen Stromversorgung zugeschrieben. Der Anteil von Kohle sinkt dagegen in den normativen Szenarien von gegenwärtig 35 Prozent auf 2 Prozent und weniger bis zum Jahr 2050.

Die Schlüsselrolle von Wasserstoff

Neben einem starken Wachstum der Stromnachfrage spielt Wasserstoff eine Schlüsselrolle bei der angestrebten Transformation der Energieversorgung. Mehr als 50 Staaten – darunter auch Deutschland – haben Wasserstoffstrategien erlassen oder geplant. McKinsey hat in einer 2021 vorgelegten Studie 228 Wasserstoff-Projekte weltweit identifiziert, von denen ein Großteil auf Europa entfällt.

Aber auch andere Weltregionen setzen stark auf Wasserstoff. Dies gilt vor allem für Asien, Nord- und Südamerika, Australien, Afrika und den Mittleren Osten. Sofern alle geplanten und angekündigten Projekte realisiert werden, würde eine Investitionssumme für Wasserstoff von rund 300 Milliarden US-Dollar bis 2030 mobilisiert.

Von dieser Investitionssumme sind mehr als 80 Milliarden US-Dollar durch Projekte abgedeckt, die sich bereits in Umsetzung beziehungsweise in einem konkreten Planungsstadium befinden. Der Aufbau eines globalen Markts für Wasserstoff bietet große Chancen für internationale Kooperationen, Handelsbeziehungen und die Etablierung neuer Wertschöpfungsketten.

In Europa kann der dort künftig benötigte Wasserstoff nur zu einem kleinen Teil erzeugt werden, da ausreichende kosteneffizient nutzbare Potenziale nicht zur Verfügung stehen. Das gilt in vergleichbarer Weise auch für Staaten wie Japan oder Korea. Einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit kommt deshalb eine herausragende Bedeutung zu. Entsprechend sind bilaterale und trilaterale Partnerschaften bereits geschlossen oder in Aussicht genommen worden.

Wasserstoff-Projekte in Europa

Hydrogen Energy Supply Chain (HESC)

Beispielhaft kann in diesem Zusammenhang das Hydrogen Energy Supply Chain (HESC)-Pilotprojekt genannt werden, bei dem Wasserstoff im australischen Bundesstaat Victoria produziert und per Schiff nach Japan transportiert werden soll. Der Wasserstoff wird aus Braunkohle gewonnen werden. Es ist geplant, die dabei anfallenden CO2-Emissionen abzuscheiden und mithilfe der CCS-Technik unter dem Meeresboden zu lagern, um blauen Wasserstoff zu gewinnen.

HySupply

Ein weiteres zwischenstaatliches Projekt ist HySupply. Ziel der im Jahr 2020 begründeten und auf zwei Jahre angelegten deutsch-australischen Zusammenarbeit ist die Identifizierung und Analyse möglicher Geschäftsmodelle für die Lieferung von grünem Wasserstoff zwischen beiden Industriestaaten.

Important Project of Common European Interest (IPCEI)

Auf regionaler Ebene ist im Dezember 2020 zudem „das Important Project of Common European Interest (IPCEI) Hydrogen lanciert worden, mit welchem der Markthochlauf für H2-Technologien innerhalb der EU entlang der gesamten Wertschöpfungs- und Nutzungskette unterstützt werden soll.“ (Weltenergierat – Deutschland, Energie für Deutschland 2021, Berlin, Juni 2021).

„Hydrogen Technologies and Systems“-value chain

22 EU-Staaten sowie Norwegen unterzeichneten das Manifesto for the development of a European „Hydrogen Technologies and Systems“ value chain. Darin wird bekräftigt, dass die Staaten gemeinsame Wasserstoffprojekte in ganz Europa fördern wollen. Mittlerweile wurden auf EU-Ebene über 400 Projekte aus 18 Staaten registriert. Am 28. Mai 2021 war der Startschuss für die Realisierungsphase gefallen.

Die 228 weltweit angekündigten Projekte erstrecken sich über die gesamte Wertschöpfungskette – von der Produktion über die Infrastruktur, den Transport und die Nutzung von Wasserstoff. Es wird erwartet, dass längerfristig der größte Teil des Wasserstoffs durch Elektrolyse mittels Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird.

Daneben eröffnet auch Strom aus Kernkraftwerken die Möglichkeit einer CO2-freien Produktion von Wasserstoff. Eine CO2-arme Erzeugung ist auch auf Basis von Erdgas und Kohle möglich, soweit das CO2 in dem Produktionsprozess abgeschieden und genutzt oder gespeichert wird. Projekte zur Nutzung von Wasserstoff richten sich insbesondere auf den Transportsektor und die Industrie und dort auf Bereiche, die nur schwer zu elektrifizieren sind. Ferner wird Wasserstoff künftig eine wichtige Rolle als Speichermedium zugeschrieben.

Ergebnisse der internationalen Klimakonferenz von Glasgow

Bei der 26. Conference of the Parties (COP 26) der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC), die vom 31. Oktober bis 13. November 2021 in Glasgow ausgerichtet worden war, konnte zum Abschluss der Glasgow Climate Pact einstimmig verabschiedet werden. Zu den wesentlichen Elementen dieser Vereinbarung gehören folgende Punkte:

  • Das langfristige Ziel, den globalen Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu halten und fortgesetzte Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, wird bestätigt.
  • Die weltweiten CO2-Emissionen sind bis 2030 im Vergleich zum Stand des Jahres 2010 um 45 Prozent zu verringern und bis zur Mitte des Jahrhunderts auf Netto-Null zu bringen. Ferner sind einschneidende Reduktionen bei den anderen Treibhausgas-Emissionen vorzunehmen.
  • Es sind verstärkte Bemühungen zu unternehmen, die Erzeugung von Strom aus Kohle (soweit dies ohne Abscheidung und Nutzung oder Speicherung von CO2 erfolgt) zu senken (wörtlich heißt es: „phasedown of unabated coal power“) und ineffiziente Subventionen für fossile Energien zu beseitigen („phase-out of inefficient fossil fuel subsidies“).
  • Die Industriestaaten stellen mindestens 100 Mrd. US-Dollar pro Jahr bis 2025 zur Verfügung, um damit die Entwicklungsländer bei den Anstrengungen zur Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen und bei den Bemühungen zur Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen.
  • Die Bedeutung einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit bei innovativen Klimaschutzmaßnahmen wird betont.

Die Internationale Energie-Agentur hat im Nachgang zu der COP 26 erklärt, dass angesichts der bei der Konferenz von einer Reihe von Staaten vorgelegten verschärften Klimaschutz-Verpflichtungen (updated pledges) davon ausgegangen werden kann, dass der weltweite Temperaturanstieg bis 2050 auf 1,8 Grad Celsius begrenzt werden kann. Das setzt allerdings die volle Umsetzung der abgegebenen Verpflichtungen voraus.

Gleichzeitig wird deutlich, wie anspruchsvoll das für 2030 beschlossene Ziel ist, wenn man es einer näheren Betrachtung unterzieht. So hat sich China bisher nur dazu verpflichtet, dass die Treibhausgas-Emissionen des Landes ab 2030 nicht weiter ansteigen und 2060 Treibhausgas-Neutralität erreicht werden soll. Wenn aber die Emissionen Chinas, die sich 2020 auf knapp 12 Mrd. t CO2 beliefen und damit gut einem Drittel der weltweiten Emissionslast entsprachen, erst 2030 den Peak erreichen, dürfte der „Rest der Welt“ 2030 allenfalls noch bis zu 5 Mrd. t CO2 ausstoßen. Das entspräche einer Reduktion um etwa drei Viertel innerhalb der bevorstehenden neun Jahre.

Fazit

Die Zukunft der Energieversorgung sieht deutlich anders aus als die Vergangenheit. Dies zeigen die Projektionen und Szenarien, die in den letzten Monaten von internationalen Organisationen und von global agierenden Konzernen vorgelegt wurden. Es vollzieht sich ein Wandel von einem durch fossile Energien gekennzeichneten Zeitalter zu einer Welt, in der die erneuerbaren Energien dominieren.

Entscheidende Schlüssel für das Erreichen der ehrgeizigen Klimaziele sind die beschleunigte Verbesserung der Energieeffizienz, die breite Umsetzung der Technologie der Abscheidung und Nutzung beziehungsweise Speicherung von CO2, der massive Ausbau der erneuerbaren Energien bei der Deckung des stark wachsenden Strombedarfs sowie das Setzen auf Wasserstoff, in den Sektoren, die für eine Elektrifizierung nur schwer zu erschließen sind. Die Bepreisung von CO2, möglichst weltweit in vergleichbarer Höhe umgesetzt, Technologie neutrale Fördermechanismen durch Regierungen und verstärkte internationale Zusammenarbeit werden als entscheidend angesehen, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dazu gehört vor allem das Ziel einer Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf deutlich unter 2 Grad Celsius.

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