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Wasserkraft – der vergessene Riese der nachhaltigen Energie
Wasserkraft verfügt über großes Potenzial. Für die Netto-Null bis 2050 müssten Länder laut IEA weiter ausbauen

Trotz des rasanten Wachstums der Solar- und Windenergie in den vergangenen Jahren, liefert Wasserkraft weltweit immer noch mehr nachhaltigen Strom als alle anderen Erneuerbaren Energien zusammen. Im Jahr 2020 hat sie ein Sechstel der weltweiten Stromerzeugung ausgemacht. Dabei ist bisher nur etwa die Hälfte der wirtschaftlich nutzbaren Wasserkraftressourcen erschlossen. In den Entwicklungsländern liegt der Wert sogar bei fast 60 Prozent. Das geht aus einem aktuellen Bericht (auf Englisch) zu Wasserkraft der Internationalen Energieagentur hervor.

Wasserkraft erzeugt aber nicht nur nachhaltigen Strom in großem Maßstab, sondern sorgt insbesondere auch für eine hohe Flexibilität im Stromnetz, da der Wasserfluss durch Turbinen in Stauseen und durch Pumpspeicher gesteuert werden kann. Letztere stellen nach wie vor die weltweit größte und kostengünstigste Form der Energiespeicherung dar.

Wasserkraft ist somit eine hervorragende Ergänzung zu den unterschiedlichen Formen Erneuerbarer Energien. Auch bei der Bewässerung, dem Hochwasserschutz und der Frischwasserversorgung spielen Staudämme eine wichtige Rolle.

Kontroversen um Staudämme

Doch vor allem Großstaudämme haben schon zu erhebliche Kontroversen geführt: Nach einem Bericht der Weltkommission für Staudämme (auf Englisch) aus dem Jahr 2000 fiel die Großwasserkraft in Ungnade. In diesem wurde argumentiert, dass Großstaudämme zwar kostengünstige Erneuerbare Energie liefern, aber gleichzeitig auch erhebliche negative ökologische und soziale Auswirkungen haben. Beispielsweise wurde hierbei die Überflutung von Land für den Bau der Stauseen und die Umsiedlung von Gemeinden aufgeführt.

Allerdings hat die Frage des Klimawandels seit dem Jahr 2000 an Dringlichkeit gewonnen und damit auch die Notwendigkeit, Erneuerbare Energien zu erzeugen. Der IEA Bericht „Hydropower Special Market Report, Analysis and forecast to 2030” unterstreicht die entscheidende Rolle, die die Wasserkraft bei der Energiewende spielen kann. Der Bericht mahnt es als notwendig an, in bestehende Staudämme zu investieren, um deren Lebensdauer zu verlängern. Der Ausbau der Wasserkraft sei trotz der Komplexität der Konstruktion von großen Staudämmen von entscheidender Bedeutung für das Erreichen der Klimaziele, erklärt die IEA.

Weltweite Stromerzeugung durch Wasserkraft im Vergleich, in TWh

Quelle: BP Statistical Review of World Energy 2021

Jedes Projekt sollte individuell betrachtet werden

Ein Beispiel für die Rolle, die Wasserkraft für das empfindliche, ökologische Gleichgewicht spielt, stellt das Aysen-Projekt in Chile dar. Im Rahmen des Projekts sollten fünf große Staudämme im chilenischen Patagonien gebaut werden, um die Stromerzeugungskapazitäten von aktuell 25 Gigawatt (GW) um weitere 2,75 GW zu erweitern.

Doch Umweltorganisationen und andere Gegner argumentierten erfolgreich, dass zum einen die negativen Auswirkungen des Projekts auf die patagonische Wildnis die Vorteile für die Umwelt übersteigen würden. Zum anderen verfüge Chile über andere, wünschenswertere Optionen für Erneuerbare Energien in Form von Solar- und Windenergie.

Erneuerbare Energieerzeugung in Chile 2009-2020, in TWh

Quelle: BP Statistical Review of World Energy, 2021

Um ein eher politischeres und noch stärker umstritteneres Projekt handelt es sich bei Äthiopiens derzeitigen Bau des riesigen Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD). Dieses Wasserkraftwerk soll über eine Kapazität von mehr als 6 GW verfügen und könnte die regionale Stromversorgung und die wirtschaftliche Entwicklung Äthiopiens grundlegend umgestalten.

Da das Projekt jedoch am Blauen Nil liegt, besteht die Gefahr, dass die Wasserversorgung im Nilbecken, von dem der Sudan und insbesondere auch Ägypten stark abhängig sind, gestört und eingeschränkt wird. Ägypten ist für fast 90 Prozent seiner Süßwasserversorgung auf den Nil angewiesen. Dadurch wird der Bau des GERD auch zu einem politischen Problem.

Aber gleichzeitig können große Staudämme auch starke positive Auswirkungen haben: Der Hoover-Damm am Colorado River in den Vereinigten Staaten wurde zwischen 1931 und 1935 gebaut. Noch heute liefert er saubere Energie, schützt Südkalifornien und Arizona vor Überschwemmungen und liefert das Bewässerungswasser für die Landwirtschaft. Der Damm steht unter nationalem Denkmalschutz.

Nichtsdestotrotz zeigen die Projekte HydroAysen und GERD, dass große Wasserkraftprojekte von Fall zu Fall sorgfältig geprüft werden müssen. Die IEA empfiehlt die Anwendung von strengen Nachhaltigkeitskriterien und die sorgfältige Abwägung sozialer und politischer Vor- und Nachteile.

Ein Fall der Geschäftswelt

Staudämme und Wasserkraftwerke liefern über ihre lange Lebensdauer hinweg kostengünstigen Strom, sind aber schwierig zu bauen. Aufgrund der damit verbundenen sozialen und ökologischen Bedenken, ist ihre Konstruktion mit komplexen und langwierigen Genehmigungsverfahren verknüpft. Außerdem erfordern sie, vor allem bei großen Staudämmen, hohe Vorabinvestitionen. Dies kann insbesondere in Entwicklungsländern aufgrund der Finanzlage der lokalen Versorgungsunternehmen und des unsicheren politischen Umfelds problematisch sein.

Aus diesem Grund wurden die meisten Staudämme in der Vergangenheit unter Beteiligung des öffentlichen Sektors gebaut. Die IEA schätzt darüber hinaus, dass über 90 Prozent der Wasserkraftwerke seit den 1950er Jahren mit irgendeiner Form von langfristigen Verträgen oder Stromabnahmevereinbarungen gebaut wurden, die den Betreibern eine Einnahmesicherheit bieten.

Heutzutage müssen Regierungen weiterhin eine unterstützende Rolle spielen, so argumentiert die IEA, um das Risiko von Wasserkraftprojekten zu verringern und ihnen eine Akzeptanz in der Bevölkerung zu ermöglichen.

Dennoch steht diese Energiequelle auf der Prioritätenliste nach wie vor weit unten: Weniger als 30 Länder setzen weltweit auf Wasserkraft.

Saubere Energie ist das Gebot der Stunde

Der IEA zufolge wird die weltweite Wasserkraftkapazität zwischen 2021 und 2030 nur um etwa 17 Prozent bzw. 230 GW zunehmen, was unter dem Wachstum von 23 Prozent im vorangegangenen Jahrzehnt liegt.

Darüber hinaus werden bis 2030 schätzungsweise 127 Milliarden Dollar für die Modernisierung und Instandhaltung bereits bestehender Staudämme investiert werden müssen – insbesondere in Industrieländern. Eine Modernisierung alle weltweit bestehenden Anlagen würde jedoch fast 300 Milliarden Dollar erfordern. Eine Modernisierung der Anlagen würde eine große Chance bieten, die Kapazität bestehender Staudämme zu verbessern und zu erhöhen, so die IEA.

Mit ausreichender staatlicher Unterstützung könnte die weltweite Wasserkraftkapazität bis 2030 jedoch schon um 40 Prozent erhöht werden. Dies würde eine vergünstigte Finanzierung und neue Geschäftsmodelle erfordern, die das private und öffentliche finanzielle Risiko aufteilen würden. Die IEA spricht sich für eine Verbesserung der Genehmigungsverfahren aus, um den Ausbau von Wasserkraft zu beschleunigen, wenn hohe Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden.

Die IEA kommt zu dem Schluss, dass die weltweite Wasserkraftkapazität bis 2050 um 45 Prozent stärker ausgebaut werden muss als sie es selbst im Szenario der beschleunigten Energiewende aus dem Bericht „Net Zero by 2050“ skizziert wurde, um ein Netto-Null Niveau zu erreichen.

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